Rezension

Ein sperriger Roman, ein unbequemer Charakter - und doch überzeugend...

Walter Nowak bleibt liegen - Julia Wolf

Walter Nowak bleibt liegen
von Julia Wolf

Bewertet mit 4.5 Sternen

68 Jahre alt ist Walter Nowak - und fit wie ein Turnschuh. Eigentlich. Jeden Morgen schwimmt er seine Bahnen, immer exakt 1000 Meter, eher mehr, wenn er sich einmal verzählt. Doch an diesem einen Morgen unterbricht etwas seinen Schwimmrhythmus, Walter Nowak wird abgelenkt, und ganz in Gedanken knallt er mit voller Wucht mit dem Kopf gegen den Beckenrand.

Auch wenn Walter Nowak abwinkt, als man ihm zu Hilfe eilen will, auch wenn er einfach nur seine Sachen packt und aus dem Schwimmbad eilt, bleibt dieser Zusammenstoß mit dem Beckenrand nicht ohne Folgen. Diese Erschütterung wirkt nach, zieht wie ein ins Wasser geworfener Stein immer weitere Kreise, breitet sich wellenförmig aus, bis die spiegelglatte Oberfläche seines Lebens derart in Unruhe gerät, dass er sich darin nicht mehr wiederzufinden scheint.

Nach dem Schwimmbadunfall eilt Walter Nowak nach Hause, wo ihn gähnende Leere erwartet, denn Yvonne, seine deutlich jüngere Frau, ist für einige Tage auf einer Tagung, hat ihm einen Essensfahrplan dagelassen, gesunde Schonkost. Der Leser folgt Nowak in sein Haus, vor allem aber in seine nur durch gelegentlichen Schlaf oder eine Bewusstlosigkeit unterbrochene Gedankenkette, die oft wirr und unzusammenhängend scheint, jedem Impuls folgend. Und Stück für Stück taucht der Leser so ein in ein über weite Strecken gelebtes Leben.

Walter Nowak ist ein ehemals erfolgreicher Geschäftsmann, nun im Ruhestand, die erste Ehe geschieden, der gemeinsame Sohn Felix distanziert, seine Yvonne, nun auch nicht mehr jung und knackig, mit zunehmend eigenen Interessen. Hinzu kommt eine ärztliche Diagnose - "Natürlich, Herr Nowak, werden wir versuchen, potenzerhaltend, Herr Nowak, zu operieren", die ihn zusammen mit dem Schwimmbadunfall aus der Bahn wirft, auch die eiserne Disziplin, die ihn bis dahin ausgezeichnet hat, hilft ihm kaum, die Scherben seines Lebens zusammenzuhalten.

Gedankenfetzen, Fantasien, Erinnerungen, geistige Aussetzer - Walter Nowak ist am Boden. Der Schreibstil erscheint dazu ungemein passend. Anfangs war ich entsetzt - ein Endlostext, kaum einmal wenigstens ein Absatz, dazu noch unvollständige Sätze, auseinandergerissen. Doch einmal angefangen zu lesen, merkte ich rasch, dass es trotz allem flüssig erschien, wirr, wie Gedankengänge nun einmal sind, und deshalb zwar ungewönlich aber einfach gut gewählt.

Walter Nowak ist ein unbequemer Charakter, sperrig, und so regt sich beim Lesen kaum einmal Sympathie - wenn überhaupt, dann Mitleid. Und doch ist es spannend, dem Geschehen zu folgen, dem Zusammenbruch eines Lebens zuzuschauen, der auch mit eiserner Disziplin nicht aufgehalten werden kann. Walter Nowak, ein ehemaliger Firmenpatriarch, ein ehemals unbeugsamer Vater, versteht das Leben nicht, alles entgleitet ihm, ohne dass er weiß weshalb. Rückblicke in die Vergangenheit, bis hin zu seiner Kindheit, helfen verstehen, ändern aber nichts an dem, was ist.

Für mich ist dieser Roman von Julia Wolf zurecht auf der diesjährigen Longlist des Deutschen Buchpreises gelandet. Die Erzählung will nicht gefallen, sie ist sperrig wie ihr Hauptcharakter, sie fordert. Und doch ist der Roman mit seinem außergewöhnlichen Schreibstil und der reinen Aneinanderreihung von Gedanken etwas Besonderes, Originelles.

Sicher nichts für jedermann, aber mir hat es wider Erwarten richtig gut gefallen.

 

© Parden