Rezension

Ein sprach- und bildgewaltiger Roman

Singe ich, tanzen die Berge -

Singe ich, tanzen die Berge
von Irene Solà

Bewertet mit 4.5 Sternen

Inhalt: Prall gefüllt und unheilschwanger ziehen dunkle Wolken über die Pyrenäen. Erste Blitze brechen sich Bahn. Einer trifft Domènec, einen dichtenden Bauern, der gerade vor dem Gewitter flüchtet. Zurück bleiben seine Frau Sió und die beiden Kinder Mia und Hilari. Doch der Tod Domènecs wird nicht das einzige Unglück bleiben, das die Familie ereilt.

Persönliche Meinung: „Singe ich, tanzen die Berge“ ist ein Roman der katalanischen Schriftstellerin Irene Solà. Erzählt wird der Roman episodenartig aus einer Vielzahl von Ich-Perspektiven. Hierbei kommen nicht nur menschliche Figuren (wie Sió oder Mia) zu Wort, sondern auch ein Rehbock, ein Geist, Pilze und die Pyrenäen selbst. Das Besondere ist, dass jede Perspektive eine unverwechselbare Erzählstimme und Sichtweise besitzt, die sich von den anderen Perspektiven unterscheiden. Die Episoden erscheinen auf den ersten Blick als eher unzusammenhängende Sequenzen. Allerdings ergeben sie, je weiter man liest, – einem Mosaik gleich – ein Gesamtbild. Die Lektüre von „Singe ich, tanzen die Berge“ ist insgesamt sehr intensiv. Dies hängt einerseits mit der sprachlichen Seite des Romans zusammen: Solà schreibt sehr bildhaft, metaphorisch und lyrisch; Wortwahl und Satzbau sind ungezähmt, stellenweise urwüchsig (Petra Zickmanns Übersetzung aus dem Katalanischen fängt dies großartig ein). Die beeindruckende Sprachgewandtheit und Bildgewalt spürt man auf jeder Seite: Während der Lektüre wird man auf eine angenehme Art mit Worten und Bildern gesättigt, sodass man nach jedem der 18 Kapitel – ähnlich wie die Wolken zu Beginn des Romans, aber in einem positiven Sinne – prall gefüllt ist. Durch diese sprachliche Intensität ist „Singe ich, tanzen die Berge“ umfassender, als seine etwas mehr als 200 Seiten annehmen lassen. Der zweite Aspekt, der die Lektüre so intensiv macht, ist die Handlung des Romans: Auf der einen Seite fängt Solà Einzelschicksale wie in einem Brennglas ein: Diese sind selten bruchlos, oft tragisch, teilweise aber auch ungemein lebensbejahend. Auf der anderen Seite werden diese Einzelschicksale durch die Perspektiven der mystischen Wesen oder der Pyrenäen – quasi im Weitwinkel – relativiert. So tragisch oder erfüllend sie auch sind: Im Fluss der Zeit verlieren sie ein Stück weit an Bedeutung. Insgesamt ist „Singe ich, tanzen die Berge“ ein vielstimmiger, sprachgewaltiger, ja stellenweise ungestümer Roman, dessen Lektüre intensiv ist.