Rezension

Ein sprachgewaltiges Meisterwerk

Die Unsichtbaren - Roy Jacobsen

Die Unsichtbaren
von Roy Jacobsen

„Norwegen, zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Auf einer entlegenen Insel wächst die kleine Ingrid auf, mit den Gezeiten und dem weiten Himmel über dem Meer. Sie liebt die Insel, aber wie ihr Vater träumt sie von einem leichteren Leben. Als jedoch auch hier neue Zeiten Einzug halten, sieht sich Ingrid vor eine schwere Entscheidung gestellt…“

So wird der Inhalt im Klappentext beschrieben, der es in diesem Fall so schön auf den Punkt trifft, dass man ihn bedenkenlos so zitieren kann. Weiterhin wird auf der Rückseite des Buches eine norwegische Zeitung zitiert, die dieses Buch als „Ein Meisterwerk“ beschreibt und ich muss sagen, diese Geschichte ist eine der wenigen, die diesen Titel tatsächlich verdienen.

Zunächst fiel es mir zwar schwer, mich in den Stil der Geschichte einzufinden, da dieser wirklich sehr anders und gewöhnungsbedürftig ist. Die Sätze sind zum Teil sehr lang, sehr verschachtelt, sodass man sie gegebenenfalls zweimal lesen muss, es wird ein spezieller Seemanns-Jargon voller fremder Worte verwendet und die Vorgänge in der Natur werden ausführlicher beschrieben als die Menschen, die auf der Insel leben. Eine richtige Handlung in dem Sinne gibt es nicht wirklich, wir begleiten lediglich diese Familie über einen Zeitraum von geschätzten 15 Jahren, erleben ihren harten Alltag, ihren Kampf ums Überleben und tauchen für eine Weile völlig in diese Welt ein.

Man mag sich daran stören und das langweilig finden, doch ich fand diese Kombination neuartig, das Zusammenspiel von Sprache und Inhalt harmonisch und viele Ausdrücke nahezu genial. Die Sprache ist poetisch, sie ist kraftvoll und gewaltig; Sie malt lebendige Bilder mitten ins Wohnzimmer des Lesenden und bleibt definitiv nicht auf der Oberfläche. Mich hat die Geschichte um Ingrid und ihre Familie sehr nachdenklich gemacht, da sie zeigt, wie wenig der Mensch im Grunde doch ist und wie übermächtig die Natur sein kann. Vor dem Hintergrund der aktuellen klimatischen Entwicklungen kann es sehr spannend sein, dieses Buch zu lesen und sich Gedanken darüber zu machen, welchen Stellenwert das Leben eines Menschen in der Gnadenlosigkeit der Natur haben kann.

Von mir gibt es eine klare Empfehlung dieses Buches für alle Freunde sprachgewaltiger Literatur, die berührt, nachdenklich macht und einen mitnimmt in eine andere Welt, eine andere Zeit und eine Lebensform wie wir sie uns heute kaum noch vorzustellen vermögen.