Rezension

Ein Stalker geht bis zum Äußersten

Du bist mein Tod - Claire Kendal

Du bist mein Tod
von Claire Kendal

Bewertet mit 4 Sternen

Alles beginnt mit einer Lesung in einer Buchhandlung, die der Anglistikdozent Rafe Solmes über sein neustes Buch hält. Im Publikum sitzt Clarissa, die Rafe beruflich aus dem Institut kennt, in dem sie für die Institutsleiterin als Sekretärin arbeitet. Clarissa trennte sich gerade von ihrem Freund Henry, der einer Professur nach Cambridge gefolgt ist. Im Laufe des Lesungsabends zieht Clarissa ihre Aufmerksamkeit auf Rafe. Beide verbringen die Nacht miteinander. Aber diese Nacht hinterlässt bei Clarissa Lücken am nächsten Tag. Die nächsten Wochen pendelt Clarissa zwischen der Stadt Bath und Bristol, um als Geschworene an einem Prozess teilzunehmen, bei dem es um die Mehrfach-Vergewaltigung von Charlotta Lockyer geht. In diesen Wochen stellt Rafe Solmes Clarissa mit seinen Beobachtungen, Geschenken und Briefen nach. Wenige Tage nach der Lesung stellt Clarissa fest, dass Rafe ihr unheimlich ist, und sich von ihm verfolgt fühlt. Rafe geht so weit, dass Clarissa sich fragt, woher er seine Informationen über ihre Tagesabläufe und Handlungen bezieht. Während dieser Zeit gibt Robert – ein weiterer Geschworener während des Vergewaltigungsprozesses – Halt für gegenüber Clarissa, indem sie zweisame Gespräche über den Prozess und ihr Privatleben austauschen. Durch das ständige Stalking wird Clarissa zermürbt und somit physisch wie psychisch labiler. Hinzu kommt, dass Clarissa anscheinend nicht das einzige Stalkingopfer ist.

Mit diesem Thriller beschreibt die amerikanisch-britische Autorin Claire Kendal eine nachvollziehbare Story über das Stalking, was ebenso in der realen Welt passieren könnte. Claire Kendal lässt die Protagonistin Clarissa einmal aus ihrer Ich-Perspektive erzählen, indem Clarissa innere Dialoge mit Rafe führt, bei denen man als Leserin viel über die Handlungen von Rafe und von Clarissas Gefühlen erfährt. Des Weiteren erzählt Claire Kendal die Geschichte aus der Beobachterperspektive. Die beiden unterschiedlichen Erzählperspektiven werden anhand des Schrifttyps unterschieden, was sehr hilfreich ist, denn die Erzählungen springen teilweise zeitlich zwischen Vergangenheit und  Gegenwart. Die Zeitspanne in der Geschichte beträgt wenige Monate, in denen die jeweiligen Tage Tagesabschnitte  – vor allem im Plot – als Buchkapitel und Textabschnitte dienen. Der Thriller ist spannend, dicht und unterhaltsam geschrieben, vor allem, weil der Gerichtsprozess parallel mit den Stalkinghandlungen von Rafe erzählt werden. Denn die Gerichtsverhandlung dient als Abwehrmechanismus für Clarissa, um Rafe endgültig loszuwerden. Aufgrund der Stalkingerfahrungen kann sich Clarissa gut in das Vergewaltigungsopfer Charlotta hineinversetzen, aber nicht immer deren Handlungen positiv bewerten

Der Thriller könnte aufgrund des Themas Stalking eine frauentypische Geschichte sein. Aber in diesem Thriller sind nicht alle Männer negativ dargestellt. Meiner Meinung würde ich diesen Thriller beiden Geschlechtern empfehlen, um beide Perspektiven kennenzulernen: die Täter- und Opferrolle. Mitten im Buch kam mir die Geschichte ein wenig langatmig und nicht besonders spannend vor, weil sich die Stalkinghandlungen aneinander reihten, aber nicht viele neue Handlungen für Wendungen und Spannung sorgten. In der zweiten Hälfte des Thrillers kommen dann doch noch Wendungen und Überraschungen, dass man sogar Vermutungen aufstellt, wer nun der eigentliche Täter ist, obwohl es von Anfang an klar ist.

Claire Kendal ist es gelungen, eine klare Täter- und Opferrolle zu gestalten, um die herum nicht immer das arme Opfer steht, sondern die zwischenmenschlichen Beziehungen sorgen für positive Momente in der Geschichte, um eben nicht eine schwarz-weiß-Geschichte zu kreieren. Gerne würde ich wieder einen Thriller von Claire Kendal lesen.