Rezension

Ein Stoff, aus dem wunderbare Geschichten entstehen

Die Kleider der Frauen - Natasha Lester

Die Kleider der Frauen
von Natasha Lester

Die Geschichte beginnt im Jahre 1940, als die junge Schneiderin Estella in eine Aktion des französischen Widerstands gerät und aus Frankreich Hals über Kopf fliehen muss. In New York angekommen, hat sie nur einen Traum: sie will eine erfolgreiche Modedesignerin werden, die aktuelle Mode modernisieren und Kleidungsstücke erschaffen, die Frauen selbstbewusster machen. Als sie den geheimnisvollen Alex begegnet, der für den Geheimdienst arbeitet, beginnt eine tragische Liebesgeschichte, die das Leben von Estella grundlegend verändern wird.

Im zweiten Handlungsstrang geht es um Estella’s Enkelin Fabienne, die durch Zufall auf ein dunkles Familiengeheimnis stößt. Ein Geheimnis, das ihre Großmutter Estella betrifft und eine Geschichte über große Liebe, schweren Verlust und über Mütter erzählt, die für ihre Kinder große Opfer gebracht haben.

Ich muss ehrlich gestehen, dass ich selten einen Roman aus diesem Genre gelesen habe, der mich so emotional fesseln konnte, und gleichzeitig sehr berührt hat. Hier stimmt aus meiner Sicht einfach alles. Zum einen ist es der flüssige und bildhafte Schreibstil der Autorin, der es mir leicht gemacht hat, in die Geschichte einzutauchen. Zum andern gelingt es der Autorin sehr glaubhaft und packend zwei Zeitebenen so miteinander zu verknüpfen, dass für mich als Leser keine Langeweile aufkommt und die Spannung erhalten bleibt. Denn man lässt sich nicht nur von Estellas Traum anstecken und begleitet sie auf ihrem Weg zum Erfolg in der New Yorker Modeszene, sondern wird auch durch ein sehr komplexes und dunkles Familiengeheimnis gefesselt, was die familiäre Vergangenheit und rätselhafte Herkunft von Estellas Familie betrifft. Ich möchte an dieser Stelle nicht zu viel verraten. Aber dieses komplexe Geflecht über Lügen, Opfer und die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind, waren für mich spannend und emotional erzählt und der Leser darf sich auch auf ein paar überraschende Wendungen freuen. Dahingegen kommt Fabiennes Geschichte fast ein bisschen zu kurz. Dennoch wirkt auf mich alles sehr ausgewogen. Die Liebe zur Mode und der Wille den eigenen Traum leben zu wollen, ist das, was beide starke Frauen letztlich miteinander verbindet. Eine allzu komplex aufgebaute Geschichte von Fabienne hätte wahrscheinlich der ganzen Geschichte nicht gutgetan.

Die Hauptfigur Estella ist für mich eine starke, bewundernswerte Persönlichkeit, die nicht nur für die Mode lebt, sondern auch für ihre Überzeugung und ihren Traum kämpft. Sie ist bereit große Opfer zu bringen – auch für die Liebe. Sie wirkt auf mich sehr authentisch und facettenreich. Überhaupt sind alle handelnden Figuren durchweg komplex, lebendig und glaubwürdig. Die Autorin versteht es auch, reale Persönlichkeiten in die Geschichte einzuweben.

Obwohl ich mich persönlich selbst nicht für Haute-Couture interessiere, fand ich den Einblick in die Modewelt der 40er Jahre in New York spannend erzählt. Die Art und Weise, wie Mode entsteht – von der Idee über die Skizze bis zur Modenschau und welche Herausforderungen gerade in den Anfängen, als New York noch keine Modemetropole war, junge Designer wie Estella überwinden mussten, passen sehr gut in die Geschichte und lassen mich als Leser eintauchen.

Mein Fazit: Insgesamt ein äußerst packender historischer Roman über starke Frauen, die ihren Weg gehen. Über Liebe, Träume und Opfer – und einem Familiengeheimnis. Spannend und unterhaltsam erzählt, vor historischem Hintergrund und der faszinierenden Modewelt New Yorks der 40er Jahre.