Rezension

Ein Südtiroler Frauenleben

Ich bleibe hier
von Marco Balzano

Bewertet mit 4.5 Sternen

Öfters bin ich schon via Reschenpass nach Italien gereist und der Kirchturm im See ist immer eine auffallende Landmarke. Ich werde in wohl in Zukunft nicht mehr mit gleichen Augen ansehen können. Es wird immer eine Erinnerung an das Schicksal der Grauner Dörfler damit verbunden bleiben.

 

Marco Balzano hat einen Roman geschrieben, der sich mit der jüngeren Geschichte Südtirols befasst. Es waren unruhige Jahrzehnte die das Land und die Bewohner nachhaltig geprägt haben. Der Autor berichtet aus der Sicht der Vinschgauerin Trina, die zusammen mit zwei Freundinnen das Lehrerseminar besucht.

Nun im Rückblick, in einem langen Brief an die verlorene Tochter, erzählt Trina von ihren Hoffnungen, zerstörten Träumen und fragilem Glück. Sie berichtet von der zwangsweisen Italienisierung, die ihr das Lehren verbietet, vom Ausweg in geheime Keller- und Heckenschulen, von der Verfolgung durch die Faschisten des Duce und gleich anschließend von den Schrecken des Nationalsozialismus, der bis nach Südtirol wirkte. Viele deutschsprachige Südtiroler glaubten an die Versprechungen und siedelten ins Deutsche Reich, wo sie sich willkommen fühlten. 

Die Zurückgebliebenen sahen sich dem Misstrauen der Administration ausgesetzt, ganz besonders während der Kriegsjahre. Und dann kamen die Staudammpläne und mit dem Wasser war der Untergang des Dorfes Graun besiegelt.

Vielleicht ist es grade die Form einer persönlichen Erzählung, die das Buch so unmittelbar macht. Die Sprache empfand ich als schlicht und dennoch sehr kunstvoll. Mich haben jedenfalls Trinas Erinnerungen in Bann geschlagen. Ganz ohne Schuldzuweisungen erzählt sie von einem exemplarischen Leben, das gleichzeitig ein Abbild der Jahrzehnte zwischen den Kriegen und der Nachkriegszeit ist. Da entstanden Wunden, die nur schwer heilen. Es sind auch die Wunden, die das Leben Trina zugefügt haben und nun als alte Frau kann sie davon berichten.  

Mich hat dieser Roman sehr berührt und ich kann das Buch nur jedem empfehlen, der Südtirol als Urlaubsziel kennt und sich ein wenig mehr mit den Menschen und ihrer Heimat beschäftigen möchte.