Rezension

ein Thriller, der einfach herausragend ist und absolute Beklemmung und Atemlosigkeit beschert

Finsterthal - Linus Geschke

Finsterthal
von Linus Geschke

Bewertet mit 5 Sternen

Der Auftakt der Alexander Born Trilogie hat mich damals richtiggehend beeindruckt und niemals ganz losgelassen. Weshalb ich unglaublich gespannt auf den Nachfolger war.
Kann man die beiden Bände unabhängig voneinander lesen? Können tut man alles, da auch Rückblicke erfolgen.
Doch die viel wichtigere Frage ist: Will man das tatsächlich? Denn damit würde man etwas sehr essentielles und großartiges verpassen.
Etwas, das den Grundstein zu allem bildet.
Mit “Finsterthal ” geht es nun in die zweite Runde und eins sei gesagt, diese Story muss sich definitiv nicht hinter “Tannenstein” verstecken.
Linus Geschke macht da weiter, wo es aufgehört hat.
Präzise, gnadenlos und voller trügerische Ruhe bringt er uns mit dem Dunklen und Alexander Born zusammen. Ein Kombination die absolut kompromisslos, tödlich und explosiv ist.
Er führt uns mit seinem einnehmenden, bildhaften und unverwechselbaren Schreibstil durch die Seiten.
Was ich in Bezug auf die Antagonisten besonders großartig finde, dass Namen keine Rolle spielen, die Person dahinter jedoch schon. Denn Ihnen schenkt der Autor sehr viel Raum, damit man auch das Gesamtpaket zu fassen bekommt.

Wir bekommen es mit einem komplizierten Fall zutun, der erneut die Frage nach der Moral in den Raum wirft.
Wie weit lässt sich zugefügtes Leid kompensieren?
Wo fängt Gut an, wo hört Böse auf?
An welcher Stelle betritt man genau diese Grenze, an der umkehren absolut unmöglich ist.
Ist es verwerflich ,dass ich sämtlichen Protagonisten, egal ob Gut oder Böse, Verständnis entgegenbringe? Das ich sie mit völliger Begeisterung verfolgt habe und sie mir dennoch einen Schauer nach dem anderen über den Rücken gejagt haben?
Was sagt das über mich als Mensch aus?
Was macht Leid und Verzweiflung aus uns Menschen?

Fragen über Fragen und doch führt uns der Autor eben dies ganz klar vor Augen.
Ich war erneut unglaublich beeindruckt wie facettenreich er die Charaktere ausgearbeitet hat. Wie unterschiedlich ich sie betrachtet habe.
Man sieht nicht nur das, was uns gezeigt wird. Man blickt in jede einzelne Seele und erblickt so viel Schmerz und Leid. Jeder hat sein Päckchen zu tragen und versucht für sich, damit zurechtzukommen.
Bei dem einen mag das vielleicht auch mal etwas blutiger ausfallen. Was mich persönlich durchaus schockierte und entsetzte. Aber man muss das große Ganze sehen und erst dann reflektieren. Denn nichts ist leichter, als vorschnell ein Urteil zu fällen.

Am faszinierendsten fand ich absolut den Dunklen, wie auch Alexander Born.
Alexander Born manövriert sich immer mehr ins Aus. Zu oft ist er angeeckt, zu oft zieht er sein eigenes Ding durch und doch wird ihm ungebrochen Loyalität entgegengebracht.
Den Dunklen kann man nicht in Worte fassen. Ich fand ihn großartig, ungeheuer einnehmend und beängstigend. Eine Persönlichkeit die ungeheuer interessant und faszinierend zugleich ist.
Zwei Seiten, die unterschiedlicher kaum sein könnten und doch ungemein in Atem halten.
Ich hatte unglaublichen Respekt vor Ihnen. Vor dem, was sie im Inneren ausmacht. Denn auch wenn vieles aus Kalkül geschieht, so steckt doch auch eine Geschichte dahinter.
Man blickt in diese Seelen und kann nicht fassen, wieviel Trauer, Verletzlichkeit und Schmerz darin verborgen liegt.
Wir sehen Stärke und Wut. Wir sehen Angst und Verzweiflung. Aber wir sehen auch wie tödlich und absolut präzise sie handeln.
Und schließlich ist da noch Andrej Wolkow, der sich geschickt in die Geschichte einbringt und seinen Teil dazu beiträgt, um es vollkommener, tragischer und nervenzehrender zu gestalten.

Die Handlung hat mich sofort gepackt. Ich empfand die Atmosphäre als düster, tragend und unheilvoll. Eine Spannung, die eher unterschwellig spürbar wurde und doch absolut rasant und packend war.
Wir befinden uns hier an unterschiedlichen Orten. Ob in Russland oder Deutschland ist eigentlich nicht so wichtig. Viel wichtiger ist, was sich in den einzelnen Handlungssträngen herauskristallisiert. Und das ist definitiv nicht ohne und brachte mich immer wieder zum Nachdenken.
Wir blicken auf vergangenes und auf die Gegenwart. Hintergründe werden ebenso offenbart wie zerstörerische Wahrheiten ,die ihren eigenen Tribut fordern. Zudem wird die innere Zerrissenheit bei den Charakteren mehr als gut spürbar.

Besonders im Fall der entführten Mädchen, zerbricht etwas in einem. Es macht einfach unglaublich wütend. Etwas so unschuldiges, dass in die Schusslinie gerät. Linus Geschke geht nicht allzu sehr in die Details. Doch was man am eigenen Leib erfährt, reicht, damit man das ganze Ausmaß verstehen und verinnerlichen kann.
Obwohl ich gerade diesen Fall etwas vorhersehbar empfand, so war er es schlussendlich dann doch nicht.
Zuviel kam ins Spiel, das man nicht erwarten konnte.
Manipulation, Lügen, Verrat und Rache. Machtpositionen die gestärkt und aufgebaut werden wollen. Zu viel das in die Waagschale geworfen wird. Zu komplex, um es sofort beurteilen zu können.
Zuviel Grenzen, die sich immer mehr verschieben.
Zu viel von allem, das in einem arbeitet und gärt. Zu viel, dass man allein mit dem Gesetz diesem beikommen könnte.
So intensiv, so bahnbrechend, so vernichtend für das menschliche Sein.
Denn was man hier zu sehen bekommt, geht weit über das, was man ertragen kann hinaus.
Es gab Wendungen, die mich absolut aus der Spur gebracht haben und mich umdenken ließen. Was dem Ganzen noch viel mehr Fülle und Intensität verlieh.
Das Grauen, dass sich immer mehr offenbarte und manifestierte und damit einen inneren Zwiespalt auslöste.
Dadurch das man auch unterschiedliche Perspektiven erfährt, wird es auch viel tiefgründiger und an einigen Stellen auch emotionaler. Die Charaktere entwickeln sich dabei und machen ihre eigene Wandlung durch, die dem Betrachter nicht verborgen bleibt.

Die Nebencharaktere haben mich ebenso einnehmen können. Voller Ausdruck, Authentizität und Facettenreichtum. Es gab Momente, die gingen mir unglaublich nahe. Ich fühlte mich, als würde man mir in den Magen boxen.
Denn was man hier sieht, ist keine Frage der Moral. Es ist eine Frage der Menschlichkeit und wie man auf bestimmte Situationen reagiert, wenn man dazu getrieben wird. Was besonders sehr gut bei Nikita ersichtlich wurde.
Und schlussendlich läutet der Autor ein Showdown ein, der mich absolut überrascht hat. Einerseits hat mich unglaubliche Traurigkeit überfallen, aber andererseits fiel Wut und Verzweiflung von mir ab. Ein Showdown, der rasant und explosiv war und im weiteren Verlauf auch einige Fragen in den Raum wirft.
Schlussendlich ein Thriller, der einfach herausragend ist und absolute Beklemmung und Atemlosigkeit bescherte. Anders als der Vorgänger, aber nicht minder intensiver und bahnbrechender. Er punktet auf psychologischer Ebene, wie auch im Zwischenmenschlichen Bereich und gibt damit auch Stoff zum nachdenken mit auf den Weg.

Fakt ist: Alexander Born hat hier einiges geleistet und ist an seine Grenzen gestoßen. Er hat gezeigt, wozu er bereit ist und dennoch ist das nicht alles. Egal was man tut, man ist nie gefeit vor Verlust und Schmerz.
Die Schatten sind oft größer, als man verkraften kann. Egal was du tust, sie holen dich immer ein.
Ich bin sehr gespannt, was im Finale auf uns zukommt und was er uns damit auf den Weg geben wird.

Fazit:
“Tannenstein” hat mich absolut beeindruckt und nie ganz losgelassen.
Nun geht es mit “Finsterthal ” in die zweite Runde.
Ein zweiter Band der mich definitiv durch die seelische Hölle geschickt hat und anders als der Vorgänger ist.
Doch nicht minder intensiver, bahnbrechender und packender.
Linus Geschke setzt auf eine unheilvolle Ruhe, die das Grauen heraufbeschwört.
Man bekommt es mit einem komplexen Fall zutun, der erneut so viel Fragen in den Raum wirft und mich wirklich zum grübeln brachte.
Ein gnadenloser Thriller, der besonders auf der psychologischen Ebene punktet und dabei so viel Gebrochenheit, Schmerz und Leid hervorbringt.
Ich bin absolut begeistert und fasziniert.
Denn hier hat der Autor gezeigt, dass er Thriller unglaublich gut beherrscht, sie nicht immer in offensichtlicher Brutalität ausufern müssen und das sich “Finsterthal ” keineswegs vor “Tannenstein” verstecken muss.