Rezension

Ein Thriller voller Raffinesse

Opfer - Pierre Lemaitre

Opfer
von Pierre Lemaitre

Bewertet mit 5 Sternen

Als Camille Verhoeven, Chef der Pariser Mordkommission, auf den Aufzeichnungen der Überwachungskameras erkennt, wie seine Lebensgefährtin bei einem Raubüberfall aufs Brutalste misshandelt wurde, ist ihm sofort klar: Er muss diesen Fall übernehmen. Dass er durch das Opfer involviert ist, verschweigt er, macht diesen Fall zu seiner persönlichen Angelegenheit. Schnell fixiert er sich mangels Objektivität auf den Hauptverdächtigen – ein Fehler?

Dieser Thriller, welcher sich über einen Zeitraum von drei Tagen erstreckt, ist erstaunlich intelligent konstruiert. Sowohl Täter wie auch Ermittler sind beide Profis auf ihrem Gebiet, das wird dem Lesenden schnell klar. Und doch scheint der Täter Camille stets eine Spur voraus zu sein, geht bei diesem Katz- und Mausspiel  über Leichen, ohne mit der Wimper zu zucken und beobachtet die Ermittlungen interessiert aus der Ferne.

Der Roman beginnt sehr angenehm, fast schon poetisch, um dann mit erschreckender Brutalität überraschend zuzuschlagen. Die Fülle an Details lässt das Geschehen überaus realistisch wirken. Der gewählte Stil des allwissenden Erzählers verleiht diesem zusätzlich eine besondere Dramaturgik, da er fast schon analytisch wie von einem unabwendbaren Schicksal berichtet. Als gekonnten Gegenpart hat der Autor den Täter als zweiten Ich-Erzähler eingesetzt, welcher es sich nicht nehmen lässt, den Ermittler zu beobachten, sich aber ansonsten nicht in seine Pläne schauen lässt.

Ich muss sagen, obwohl ich ein paar Seiten benötigte, um mich an den Schreibstil zu gewöhnen, war ich umso überraschter, mit welcher Perfidie das Verbrechen geplant, mit welcher Brutalität es ausgeführt wurde. Und befürchtete ich zuerst, der Ermittler würde dem Täter in die Falle gehen, konnte ich mit Erstaunen verfolgen, mit welcher Genialität Camille Verhoeven letzendlich aufwartete. Ein äußerst raffiniert konstruierter Thriller, mit dem ich so nicht gerechnet hatte.