Rezension

Ein tiefgehender Roman voll Bangen und Hoffen

Der Reisende - Ulrich Alexander Boschwitz

Der Reisende
von Ulrich Alexander Boschwitz

Bewertet mit 5 Sternen

Es gibt ja viele Bücher, die zu Beginn der NS-Zeit spielen und noch mehr, die währenddessen oder danach handeln. Auch Bücher von Zeitzeugen kennen wir und im Grunde sind diese immer besonders packend. Fast noch ergreifender und unmittelbarer ist dieser Roman, wohl aufgrund seiner Entstehungszeit. 

Boschwitz schrieb die Erlebnisse des fiktiven Otto Silbermann nicht etwa ein paar Jahrzehnte nach der grausamen Zeit, sondern direkt damals. Er emigrierte 1935 von Berlin nach Skandinavien und schrieb, wie vermutet wird, ab 1938, mit 23 Jahren, daran. Er verarbeitete in diesem Manuskript mit Silbermann stellvertretend für alle, die nach den Pogromen verfolgt wurden, die Erfahrungen und Gefühle, die Millionen von Juden zur gleichen Zeit erdulden mussten, unverschuldet. 

Er nimmt den Leser mit auf eine Reise, die einerseits physisch in Zügen der Reichsbahn stattfindet, wohin sich Silbermann gerne flüchtet. Andererseits ist es eine Reise in dessen Kopf. Seine Gedanken überschlagen sich, werden wirr und hindern ihn daran, zu schlafen. Die Eindringlichkeit, mit der Boschwitz dies alles beschreibt, überträgt sich auf den Leser, ob man nun will oder nicht. 

Über allem liegt eine gewisse Unruhe, Unsicherheit und Angespanntheit, die niemanden kalt lässt. Jede direktere Begegnung mit anderen wird zur möglichen Falle, selten kann Silbermann frei heraus reden, was seine wirren Gedanken zusätzlich befeuert. Sein Zittern überträgt sich auf den Leser, man hofft, man bangt und kann nicht verstehen, wie es einmal so weit kommen konnte.