Rezension

Ein toller Mix aus Spannungsroman, Krimi, Charakter- und Zeitstudie im atemberaubend atmosphärischen Setting des New Orleans des Jahres 1919

Höllenjazz in New Orleans
von Ray Celestin

Bewertet mit 5 Sternen

Eines der besten Debuts seit langem und ein höllisch gutes Buch. Ray Celestin sollte man sich unbedingt merken!

 

„Oh Louisiana, liebliches Paradies des Südens. So betörend noch im Niedergang, wie magst du wohl in den Tagen deines Ruhms gewesen sein?“ (S. 414)

 

MEINE MEINUNG:

New Orleans im Jahre 1919: Ein multikultureller Schmelztiegel, zwischen zwei Weltkriegen, kurz vor der Prohibition und in den Nachwehen der Sklaverei in den USA. Hier treffen Menschen unterschiedlichster Kulturen, Herkünfte und Hautfarben aufeinander. Rassismus ist noch immer an der Tagesordnung, gehört zum Alltag und Selbstverständnis der meisten Bewohner dazu. Farbige dürfen z.B. in der Straßenbahn nur auf den ihnen speziell zugewiesenen hinteren Sitzplätzen Platz nehmen und Ehen zwischen Weißen und Farbigen müssen noch immer geheim gehalten werden. Hierdurch ergibt sich eine wahnsinnig dichte und interessante Atmosphäre, zwischen den beklemmenden Auswüchsen des noch traditionell verwurzelten Rassismus und der kulturellen Vielfalt, die dieses farbenfrohe Gemisch der verschiedensten Ethnien mit sich bringt in einer Stadt, die mühevoll und trotzig von ihren Gründern der sumpfigen Landschaft Louisianas abgerungen wurde. Eine Stadt, die selbst ein ganz eigener Sumpf und Mikrokosmos ist: Korruption, Ränkespiele, Voodoo und über allem der alles verbindende, neuartige und schon fast skandalöse Jazz. Das ist das grandiose Setting, dass sich Ray Celestine für sein vielbeachtetes und unglaublich beeindruckendes Romandebut ausgesucht hat.

Aber nicht nur das Setting dieser Geschichte ist außergewöhnlich, denn auch die Story selbst hat es in sich und beruht auf wahren Gegebenheiten: Das lebensfrohe New Orleans wird erschüttert durch eine brutale Mordserie, die einem geheimnisumwitterten Täter zugeschrieben wird: Dem Axeman. Bevölkerung, Polizei und Politik stehen von einem Rätsel, das dringend gelöst werden muss. Eine Aufgabe, der sich Detective Lieutnant Michael Talbot, ein ehrgeiziger Außenseiter in den Reihen der Polizei, annimmt. Doch nicht nur die Polizei ermittelt auf den Spuren des Axeman. Auch der „schwarzen Hand“, der Mafia New Orleans, sind die Taten des Axemans ein Dorn im Auge - und Carlo Matranga, der Pate selbst, beauftragt den abgehalfterten, ehemaligen Polizisten Luca D´Andrea, frisch aus dem berüchtigten Zuchthaus „Angola“ entlassen, die Identität des Axman zu ermitteln. In einem dritten Handlungsstrang nimmt die Detektei-Angestellte Ida Davis auf eigene Faust Ermittlungen auf, unterstützt von ihrem besten Freund, einem aufstrebenden Jazzmusiker namens Lewis Armstrong (genau, DER Louis Armstrong!).

In stetigem Wechsel der drei Haupthandlungsstränge treibt Ray Celestin seine Story voran und seine Protagonisten immer näher an die Fersen des Axeman heran. Das sorgt beim Lesen immer wieder für Abwechslung und durchaus auch Spannung. Dabei portraitiert er diese unglaubliche, einzigartige Stadt am Mississippi und die ganz unterschiedlichen Lebensumstände seiner Charaktere. Dabei gibt es durchaus auch Dramen, ein bisschen Herzschmerz und immer wieder auch überraschende Wendungen in der Entwicklung seiner Charaktere. Ida und Lewis waren mir dabei mit Abstand die liebsten Protagonisten. Aber auch für Michael und Luca, zwei sehr polarisierende und facettenreiche Figuren, habe ich trotz aller Widrigkeiten und z.T. zweifelhafter Taten in der Vergangenheit im Lauf der Geschichte Sympathie entwickelt. Selbst Nebencharaktere, wie beispielsweise Detective Lieutnant Jake Hatener oder auch Detective Kerry Behan wussten durchaus zu überzeugen und zu überraschen.

Besonders gut gefallen hat mir an dieser über viele Genregrenzen hinweg mäandernder Story, dass alle ermittelnden Charaktere auf ganz eigenen Wegen und unabhängig voneinander die Lösung dieses mysteriösen Falls finden - eine Auflösung, die in ihrer Gesamtheit vielleicht auch viel zu groß gewesen wäre für nur einen Ermittler.

 

Abgerundet wird dieses fantastische Debut von einem voran gestellten Personenregister (nicht von den 112 Namen abschrecken lassen – man kommt gut in die Geschichte hinein und erhält schnell einen Überblick) sowie einem Glossar, das Begriffe wie Bayou, Cajun oder auch Kreole erklärt, und die eine Übersichtskarte am Ende des Buches.

 

FAZIT:

Eines der besten Debuts seit langem und ein höllisch gutes Buch. Ray Celestin sollte man sich unbedingt merken!