Rezension

Ein toller Roman mit einem schwachen, aber dennoch spannenden Thrillerteil

Der Abgrund in dir
von Dennis Lehane

Bewertet mit 3 Sternen

Ich hatte mal wieder richtig Lust auf einen Thriller, als ich auf „Der Abgrund in dir“ von Dennis Lehane aufmerksam wurde. Dieses Buch bezeichnet sich als eine Mischung aus psychologischem Thriller und einer Liebesgeschichte und der Klappentext klang für mich zwar interessant, aber leider auch nach einem Schema, wie es bereits aus vielen anderen Büchern bekannt ist:

„Rachel Childs hat alles, was man sich erträumt: ein Leben ohne finanzielle Sorgen, einen gutaussehenden, liebevollen Ehemann. Doch im Bruchteil einer Sekunde macht ausgerechnet ihr Mann dieses Leben zu einer Farce aus Betrug, Verrat und Gefahr. Nichts ist mehr, wie es scheint, und Rachel muss sich entscheiden: Wird sie kämpfen für das, was sie liebt, oder im Strudel einer unglaublichen Verschwörung untergehen?“

Es muss wohl an dem Autor Dennis Lehane gelegen haben, dessen Bücher „Mystic River“ und „Shutter Island“ als Weltbestseller bereits erfolgreich verfilmt wurden, dass ich mich dennoch entschied in die Leseprobe hineinzuschauen. Und tatsächlich hat mich gleich der Anfang des Buches mitgenommen und auch der Rest der Leseprobe konnte mich überzeugen:

„An einem Dienstag im Mai, im Alter von sechsunddreißig Jahren, erschoss Rachel ihren Mann. Er stolperte mit einem seltsam wissenden Gesichtsausdruck rücklings, als ob er schon immer geahnt hätte, dass sie es tun würde.“

Zwar nimmt sich das Buch gleich im Anschluss zurück und stellt dem Leser ausführlich die Protagonistin Rachel Childs vor, aber ich mochte die ruhige und gefühlvolle Art in der dies geschieht. Man lernt Rachel als unglückliches Kind und als junge Frau auf der Suche nach ihrem leiblichen Vater, als Katastrophenreporterin auf Haiti und schließlich als stark in ihrem Leben eingeschränkte Angstpatientin kennen. Facettenreiche Einblicke, die sich allmählich zu einem Bild der Protagonistin zusammensetzen, wobei ich mich jedoch immer auch fragte, wie und vor allem wann die eigentliche Geschichte denn wohl weiter gehen würde.

Doch gerade, als ich mich damit abgefunden hatte, dass es sich bei diesem Buch „nur“ um einen Roman, den ich nichtsdestotrotz sehr gerne las, anstatt des eigentlich erwarteten Thrillers handelt, nahm die Handlung enorm Fahrt auf. Das Buch splittet sich ab diesem Zeitpunkt in zwei Teile auf, die sich nicht mehr so recht zusammenbringen lassen. Ab sofort sind die komplexen Charaktere beinahe völlig vergessen und es geht nur noch darum, beim Lesen lebendige und lebensgefährliche, teils tödliche Bilder vor dem inneren Auge entstehen zu lassen, die so rasant sind, dass kaum Zeit zum Luftholen bleibt. Aber sie konnten mich auch mitreißen und dafür sorgen, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen mochte, auch weil ich unbedingt wissen musste, wie sich diese verworrene Geschichte auflöst. Dabei schießt Dennis Lehane meines Erachtens jedoch einige Male übers Ziel hinaus, indem er zu sehr konstruiert und es zu unglaubwürdigen, manchmal sogar absurden Entwicklungen kommen lässt. Erstaunlicherweise habe ich ihm das jedoch nicht einmal übel genommen, sondern fühlte mich trotz allem irgendwie gut unterhalten.