Rezension

Ein träger Fluss im Regen

Die Geschichte des Regens - Niall Williams

Die Geschichte des Regens
von Niall Williams

Bewertet mit 2 Sternen

„Dies, Werter Leser, ist eine Flusserzählung. Mein bevorzugtes Stilmittel ist der Mäander.“

…erzählt uns die 19jährige Ruth, die krank ist, bettlägerig. Sie hat  „irgendwas mit dem Blut“ und kann nichts tun außer zu lesen und ihre Familiengeschichte aufzuschreiben, was sie in unendlicher Ausführlichkeit und sehr eloquent tut, während es regnet, wie immer in Irland.

„ Ich weiß, dass Ippolit Kirillowitsch in Die Brüder Karamasow (Buch 1.777, Penguin Classics, London) die historische Berichtsform wählt, weil Dostojewski damit den eigenen barocken Erzählstil besser zügeln konnte. Anfänge, Mitten und Enden bringen einen in eine Position, in der man notgedrungen Bei Der Geschichte Bleiben muss, wie Maeve Mulvey es an dem Abend formulierte. Als die Junior-Certificate-Klasse angeblich ins Kino nach Ellis wollte, dann aber stattdessen bei Dunnes Bier kaufte und es auf dem Parkplatz an der Parnell Street trank und Mrs Pender Grainne Hayes dabei beobachtete, wie sie auf dem Marktplatz an den salzig-sauren Chips-Lippen einer pickligen Bohnenstange hing, selbst angetan mit so viel Eyeliner und Wimperntusche, dass sie aussah wie der Dachs aus einem Disney-Film, …“ 

So mäandert Ruths Geschichte vor sich hin, nur leider ist der Fluss wirklich sehr verschlungen und enthält auch reichlich Sandbänke und Stauseen. Immer wieder verläuft er sich in endlosen Nebenarmen. Es reihen sich Anekdoten über skurrile irische Dorfbewohner an Episoden aus dem Leben ihres Vaters, Großvaters, Urgroßvaters, die immer wieder unterbrochen werden durch Querverweise zu den hunderten von Büchern, die sie gelesen hat. Man wird bombardiert mit Namen und Nebensächlichkeiten, brillant und humorvoll erzählt, aber dennoch unendlich ermüdend auf Dauer. 

Dazwischen steckt ein kleines bisschen Handlung, die aber nur sehr träge vorankommt und dazu noch absurde Züge trägt. Selbst wenn man Ruths Familie zugesteht, äußerst originell zu sein, hat man doch den Eindruck, hier ist jeder bis zur Unkenntlichkeit überzeichnet, unglaubwürdig, versucht vergeblich, dem Familienmotto gemäß, dem „Unmöglich Hohen Anspruch“ gerecht zu werden und hat ein gestörtes Verhältnis zur Lachsfischerei. Gegen Ende häufen sich tragische Unglücksfälle, um noch ein wenig auf die Tränendrüse zu drücken. Dabei ist Ruth eh schon so krank und es regnet, wie immer.

Dann nervt und verwirrt auch noch die Idee, bestimmte Phrasen durch Großschreibung hervorzuheben. Man kann das als pubertäre Marotte eines Teenagers verstehen, aber wer will schon Teenager-Marotten lesen. Und als „Werter Leser“ angesprochen zu werden, kann ich vielleicht ein-zwei Mal pro Buch tolerieren. Hier wird es ausgereizt, bis es wirklich nicht mehr komisch ist.
Dieses Buch steht sich selbst im Wege, erstickt eine anrührende Geschichte in zu viel Dekoration und einen bemerkenswerten Schreibstil in Weitschweifigkeit und zweifelhaften Stilmitteln.

Durch „Die Geschichte des Regens“ musste ich mich beißen, was schade ist, weil der Autor wirklich schreiben kann. Furchtbar gerne würde ich von ihm ein Buch mit Handlung lesen, etwas ohne Effekthascherei.