Rezension

Ein trostloses Buch

Mit der Faust in die Welt schlagen - Lukas Rietzschel

Mit der Faust in die Welt schlagen
von Lukas Rietzschel

Bewertet mit 4 Sternen

Die beiden Brüder Philipp und Tobias wachsen während der Nachwendezeit in einem typischen Dorf in der Lausitz auf. Die Eltern haben ein Häuschen gebaut und zahlen es mit Mühe ab, beide gehen arbeiten und die Jungen gehen nach der Schule in den Hort. Durch die Wende sind in der Gegend viele Arbeitsplätze verschwunden und man schlägt sich so durch. Das Dorf ist trostlos und es ist nicht viel los. Hexenbrennen und Kirmes sind die Höhepunkte des Jahres.
Als der Neonazi Menzel im Dorf auftaucht, übt er eine große Faszination auf Philipp aus, endlich ist mal etwas los. Doch nach einigen "Aktionen" wendet er sich von Menzel ab, als er merkt, dass der auch keine echte Alternative zu bieten hat. Stattdessen lässt sich Tobias auf ihn ein und sie wollen etwas "gegen die Ausländer" unternehmen, die in die alte Schule einziehen sollen.
Das Buch zieht sich über einen Zeitraum von 17 Jahren, man begleitet die beiden Jungen von der Grundschulzeit bis ins Erwachsenenleben. Dabei wird deutlich, wie trostlos das Leben in der sächsischen Provinz ist. Die Eltern haben ihre eigenen Sorgen, nur die Großeltern interessieren sich wirklich für die Kinder. Perspektive oder Ehrgeiz sind nur in bescheidenen Ansätzen vorhanden. Einfache Lösungen sind in dieser Situation sehr verführerisch, bieten aber auch keine wirkliche Verbesserung.
Lukas Rietzschel beschreibt das alles sehr nüchtern und nicht wertend. Dadurch wird das Buch aber sehr eindringlich, denn die Schlussfolgerungen muss der Leser selbst ziehen.
Ich hatte manchmal Mühe weiterzulesen, weil manchmal so wenig passierte, aber das Dranbleiben lohnt sich.
Man erfährt viel über die Situation und die "bleierne Zeit" nach der Wende, als die Arbeitsplätze, die man kannte, verloren gingen und sich die Menschen in allen Lebensbereichen sehr schnell auf Neues einstellen mussten. Das war nicht immer leicht und die heutige politische Situation ist sicherlich auch dem Fehler geschuldet, dass man im Westen darauf zu wenig Rücksicht genommen hat. Das soll keine Entschuldigung für afd und Pegida sein, aber viele Menschen waren mit der Situation überfordert und suchen einfache Lösungen, auch wenn diese nicht zur Verbesserung der Lage beitragen.
Ein eindrucksvolles Buch und sehr politisch!