Rezension

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Ein turbulenter Weg zu einem grande finale, das ganz erstaunlich konstruiert ist!

Liebe, Chaos & Kartoffelsalat -

Liebe, Chaos & Kartoffelsalat
von Konstanze Harlan

Bewertet mit 5 Sternen

Im Grunde kann sich die Inhaltsangabe darin erschöpfen, dass man zu diesem Roman noch einmal den Titel nennt, denn der umschreibt wirklich gut, womit sich das Werk beschäftigt: Liebe in allen möglichen Formen und Facetten sowie Beziehungskonstellationen, was angesichts der zahlreichen beteiligten Personen und Handlungsstränge tatsächlich manchmal etwas chaotisch wirkt. Am Ende versteht es die Autorin, mit hochprozentiger Mayonnaise aus Kartoffelsalat als Bindemittel sämtliche dieser Handlungsstränge & Personen elegant miteinander zu verkitten, indem sie sie in einem grande finale zusammenführt, das in einer Auflösung mündet, die sich rundherum nur als Happy End bezeichnen lässt.

>>>Die Story in einem Satz

Nach gescheiterter Beziehung mit dem reichen Vince in NY schlüpft Laura ohne Plan und Ausbildung, dafür scheinbar mit einem gewaltigen Schuldenberg im Nacken, bei ihrer Schwester und deren Familie in der Provinz unter, wo sie einen Neustart für ihr Leben in jeder Hinsicht durchführen will – und muss.

>>>ALLERLEI "LIEBENSWERTES"

Liebe ist längst nicht nur ein Phänomen, das Paare betrifft.

In diesem Werk geht es um die Liebe zwischen Mann und Frau in verschiedenen Aggregatzuständen, sei es gescheitert (Laura und Vince), in der Krise befindlich (Susanna und Henning), irregeleitete Liebe (Max in Bezug auf Susanna) sowie aufkeimende Gefühle, die in eine Liebesbeziehung übergehen könn(t)en (Laura und Lukas).

Außerdem beschäftigt sich der Text mit ...

  • der nicht immer einfachen Liebe zwischen Geschwistern (Laura und Susanna), der Liebe zu Verstorbenen samt der damit verbundenen Trauerarbeit (Laura & Susanna und ihre Mutter),
  • der Beziehung zwischen Tante und Nichte (Laura und Ava)
  • bzw. dem gestörten-entstörten Verhältnis zwischen Oma und Enkelin (Frau Blum / Gerlinde),
  • nicht zu vergessen die Verletzlichkeit der ersten unerwiderten Liebe (Ava / Finn)
  • und die unerschütterliche Liebe zwischen Eltern und Kindern, die so gern vom Alltag torpediert wird (Susanna & Henning / Ava & Nora).

Für Spannung sorgen zwischendurch ein wild gewordener Stier, ein Küchenbrand, drohende Kreditinstitute, eine handfeste Erpressung, die Erinnerungen an alte Zeiten und die Herausforderungen der Gegenwart.

>>>GUTE UNTERHALTUNG

Ja, die Autorin hat hier eine ganze Menge in ihre Textsuppe eingerührt, sprachlich gut verpackt, nachvollziehbar erzählt.

Dieses Buch zählt zu den Titeln, die sich in einem Rutsch lesen lassen. Angenehme Unterhaltung, deren Pluspunkt, um sich von anderen Werken positiv abzuheben, für mich darin besteht, wie viele Facetten von Liebesbeziehungen parallel bzw. einander berührend betrachtet werden. Den fulminanten Schluss, in dessen Verlauf tatsächlich alle wichtigen Charaktere in die Abschlussszene einbezogen werden, so zu gestalten, dass es zu einer für den Leser befriedigenden Auflösung kommt, erfolgt gekonnt.

>>>MAG ICH DIE HAUPTFIGUR EIGENTLICH ...?

Ich persönlich finde es einigermaßen schwierig, zu einem Buch eine positive Beziehung zu entwickeln, wenn mir die Hauptfigur nicht einmal sympathisch ist: Laura begegnet mir zunächst als jemand, der nichts leistet, außer gut bezahltes Personal zu beschäftigen und ihrem „reichen Macker“ Vince zu gefallen. Im Englischen heißt so etwas ziemlich treffend trophy wife – eine wirklich adäquate Übersetzung stellen die deutschsprachigen Begriffe „Beutefrau“ oder „Trophäenweibchen“ für mich nicht dar. So nennt man halt jemanden mit hübscher Fassade, ohne eigene Ziele, dem es an Eigenständigkeit und Selbstwertgefühl fehlt. Ich mag solche Typen nicht – dementsprechend hat es lange gedauert, bis mir Laura ein wenig ans Herz wachsen konnte. Über sie heißt es im Buch: Sie fühlte sich, als wäre ihr Leben ein durchlöcherter Eimer, den sie zu stopfen versuchte.

Ja, so etwas kann passieren – vor allem, wenn man, anstatt ab einem bestimmten Alter zunehmend Verantwortung für sein Leben zu übernehmen, den leichten Weg wählt: Das hat Laura getan, indem sie sich von Vince komplett abhängig machte. Sie reißt sich von seiner Leine los, als die Handlung einsetzt und indem sie ihm einen heftigen Denkzettel verpasst. Laura benötigt Zeit – und etliche Kapitel – bevor sie sich endlich auf eigene Füße stellt, nicht länger ihrer Schwester samt Familie in den Tag hineinlebend auf der (mageren) Tasche liegt und Verantwortung für ihr Leben übernimmt. So gesehen ist das Buch nicht nur ein Liebes-, sondern auch ein Adoleszenzroman. Obwohl Laura mehr stolpert, als ihren Weg bewusst und entschieden zu gehen, habe ich ihre Geschichte mit Interesse und Vergnügen gelesen.

>>>STIMMIG

Der Roman spielt überwiegend in Schwarnberg, einer fiktiven Kleinstadt am Rande des Teutoburger Waldes. Im Großen und Ganzen ist das Werk stimmig – abgesehen vom Nachnamen der Hauptfigur, der Wildgruber lautet. Solch einen Namen würde ich eher in Süddeutschland verorten, aber der Roman besteht darauf, dass Laura ganz fest in ihrer Heimat in NRW verwurzelt ist. Schwamm drüber – natürlich kann es irgendwann einen Wildgruber nach Norden verschlagen haben, um dort Wurzeln zu schlagen; ich habe lediglich an dieser Stelle gestutzt.

Die kleinstädtische Umgebung im Bereich des Teutoburger Waldes ist treffend geschildert, besonders die Szenen in der Kneipe haben es mir angetan. [„Rita, machst du uns noch zwei?“, rief er der Frau hinter dem Tresen zu.] Ich vermute ziemlich stark, dass die Autorin hier auf eigenes Erleben und eigene Erfahrungen zurückgreift – möglicherweise auch bei der Beschreibung der ersten Gehversuche als Klassenlehrerin an einer Grundschule.

>>>FAZIT

Nix zu meckern. Lebhaft. Vielseitig. Gründlich ausgearbeitet. Konsequent entwickelt.

5 Sterne.