Rezension

Ein überdurchschnittlicher Krimi!

Durst
von Jo Nesbø

Bewertet mit 4.5 Sternen

Harry Hole ermittelte schon in 10 vorherigen Fällen, in denen Jo Nesbo seinen Top-Ermittler auf die Probe stellte. Ich habe keinen einzigen von diesen gelesen, werde dies nach „Durst“ auf jeden Fall nachholen.

 

Nachdem Frauen nach Tinder-Dates brutal ermordet aufgefunden werden und die Mordkommission in Oslo ratlos ist, suchen sie Hilfe bei Harry Hole, der zum Einzelgänger wurde. Hole kapselt sein eigenes Team von der Kommission ab, um den Täter zu finden, muss aber schnell feststellen, dass dies schwieriger ist, als gedacht, obwohl der Mörder kein Unbekannter ist und dieser immer mehr Durst bekommt.

 

Die Charaktere sind großartig ausgearbeitet. Jede Person hat Ecken und Kanten, jede Person gibt unbewusst Persönliches von sich preis, was teilweise die Handlung und die Ermittlungen beeinflusst, aber die Person vor allem dem Leser näherbringt. Alle Aktionen waren grundlegend nachvollziehbar, auch nach ungeahnten Plot-Twist, nach denen man als Leser sprachlos ist, wird es schnell schlüssig.
Harry Hole als Protagonist wirkt schon extrem ausgereift nach 10 Krimis mit Fällen, die ihn wahrscheinlich immer wieder bis an seine Grenzen geführt haben. Hätte ich die Vorgänger gelesen, hätte ich noch mehr Spaß am Buch gehabt und z.B. auch Verweise auf frühere Fälle und Täter verstehen können. Anfangs musste ich als Neueinsteiger die Namen, Positionen und Verbindungen der Charaktere ordnen und mir einprägen, das ging aber recht schnell.

 

Kriminalromane können nie mit einem ausgezeichneten Schreibstil punkten, der den Leser tief berührt, stark schockiert o.Ä. Dennoch schreibt Nesbo anders als andere Krimi-Autoren, die ich bisher kenne. Leider waren viele Krimis nur durchschnittlich, Nesbo zeigt mit „Durst“ jedoch das gewisse Etwas. Als Leser genießt man eine Mischung aus Nervenkitzel, Spannung mit Witz, der locker in Dialogen verpackt ist und den Ernst der Situation auflockert. Viele Verstrickungen und Handlungswendungen haben dazu geführt, dass ich falsche Vermutungen angestellt habe. Das Miträtseln hat Spaß gemacht, umso mehr hat mich das Ende fasziniert und endgültig in den Bann gezogen, um mich sprachlos zurück zu lassen.

 

Das Cover ist schön, da die Farben miteinander harmonieren und die Titelseite nicht zu überfüllt ist. Die dominante Farbe neben den Blautönen ist ein an den Seiten dunkler werdendes Rot. Möglicherweise eine Verbindung zu einem der Hauptsymbole im Geschehen? Auch der Titel „Durst“ umfasst die Handlung perfekt, sehr gut gewählt.

 

Als Einsteiger-Roman ist „Durst“ zwar geeignet, um den Schreibstil, die Spannungsentwicklung und Nesbos Krimi-Konstruktion kennenzulernen. Es ist jedoch ratsam, die vorherigen Teile zu kennen, um Personen besser nachvollziehen zu können und inhaltliche Lücken zu vermeiden. Trotzdem kann mich Jo Nesbo auf ganzer Linie überzeugen und treibt mich dazu, weitere Harry Hole-Krimis zu kaufen.