Ein überragender Roman!
Bewertet mit 5 Sternen
In einem bildhaften, leichten Schreibstil erzählt die Autorin Claire Winter die Geschichte der „Kinder ihrer Zeit“. Sowohl Emma als auch Alice werden in die Machenschaften der Besatzer hineingezogen. In einer Zeit, in dem es im gesamten Berlin vor Geheimagenten nur so wimmelt, nichts ungewöhnliches. Dabei wünschen sie sich nur ein unbeschwertes, langweiliges Leben und geraten dennoch in den Sog der Geheimdienste, die ohne jeglichen Skrupel über das Leben von Menschen bestimmen, als wären es Marionetten. Der Roman bleibt auf jeder Seite spannend, da die Autorin es versteht, dem Leser genau die richtige Portion Wissen an die Hand zu geben. Ich habe mit gefiebert, mitgerätselt und war dann wieder überrascht. Es ist eine Kunst Szenen so zu erzählen, dass ich als Leser sie genau vor mir sehe. Dabei verzichtet die Autorin auf allzu detailreiche Beschreibungen.
Herausragend ist die gewissenhafte historische Recherche, die diesem (sowie z.B. dem Vorgängerroman „Die geliehene Schuld“) Roman „Kinder ihrer Zeit“ zugrunde liegt. Ich bin in die Geschichte abgetaucht. Die Handlung spielt in den Jahren vor dem Mauerbau, als zahlreiche DDR Bürger die Chance in Berlin nutzen, um von Ost nach West zu fliehen. Natürlich werden am Rande wichtige Personen der Zeit, beispielsweise Willy Brandt, Walther Ulbricht oder auch Kennedy erwähnt. In erster Linie beschäftigt sich die Erzählung jedoch mit dem Spionage Hotspot Berlin. Normale Menschen werden für Spionagedienste angeworben und unter Druck gesetzt. Es hat mich erschreckt, wie schnell die Menschen in eine verzwickte und bedrohliche Lebenslage geraten konnten, obwohl sie nur ein kleines Rädchen im System waren.
Der Roman gliedert sich in 8 Hauptabschnitte plus Prolog und Epilog. Besonders der Prolog hat es in sich. Während des ganzen Romans habe ich gerätselt, wer da wem gegenüber steht. Übrigens, ich lag bis zum Schluss falsch! Die einzelnen Kapiteln tragen die jeweiligen Namen der Figuren, deren Situation behandelt wird. Das Buch ist sehr übersichtlich aufgebaut und erzählt zu keiner Zeit mehr als nötig.
Der Roman ist eine Hommage an all die Menschen, die auf der Flucht mehr als nur ihre Heimat verloren, an all die, die unter dem geteilten Land gelitten haben – eben an die Kinder ihrer Zeit, die es vielfach schwer hatten, zum Teil traumatisiert waren und dennoch weitergemacht haben, um dass Land wieder voranzubringen.
Ich kann den Roman uneingeschränkt und mit voller Überzeugung empfehlen!