Rezension

Ein überraschendes Lesevergnügen...

Spökerland Hexenfluch - Matthias Heyen

Spökerland Hexenfluch
von Matthias Heyen

Bewertet mit 4 Sternen

Story und Charaktere:

Hilke hat es nicht leicht als sie mit ihrem roten Haar und dem Vorwurf eine Brandstifterin zu sein nach Spökerland kommt. Das Internat, das sie dort besucht, beherbergt nur 18 Schüler, sind doch alle irgendwie „Problemkinder“, die von ihren Eltern auf die abgelegene Insel geschickt worden sind. Eben diese Schüler zeigen Hilke gleich was sie von ihr halten – von Anfang an ist sie als Hexe verschrien. Bestätigung finden die Schüler des Internats darin, dass Hilke nachts schlafwandelt und seltsames Zeug vor sich hinmurmelt. Nur zwei Schüler stellen sich im Laufe der Zeit auf Hilkes Seite - Marten, der eine Vorliebe für okkulte Bücher entwickelt hat und der kleine Timmy, der der Ungerechtigkeit gegenüber Hilke nichts abgewinnen kann. Zusammen versuchen sie, sich gegen den Rest der Schüler zu stellen, die Hilke als Hexe verfolgen und sogar vor Gewalt nicht zurückschrecken wollen.
Wie gut, dass ihnen da ein erwachsener, alteingesessener Bewohner der Insel zur Hilfe kommt und die Internatsschüler in ihre Schranken weist. Dass sie es hier nicht mit irgendeinem Bewohner zu tun haben, stellt sich heraus, als Hilke von Visionen berichtet, die sie sich nicht erklären kann und die sie verwirren. Wenn sie nachts schlafwandelt, spricht sie mit ihrem Vater der längst verstorben ist und wandert auf den alten Friedhof der Insel, obwohl dieser nichts mit ihrer Vergangenheit zu tun hat. Nur durch ihren neuen Freund erfahren die drei von einer mysteriösen Legende, die sich über Spökerland erzählt wird und die bis in die Gegenwart reicht. Was haben Hilkes Fähigkeiten und ihr Schlafwandeln damit zu tun? Ist sie am Ende doch eine Hexe?

Marten Lennox ist einer der dreizehn männlichen Schüler am Internat auf Spökerland. Er ist ein Einzelgänger der sich nur eines wünscht: seine Ruhe. Um diese zu bekommen verhält er sich so neutral wie möglich, schließt keine Freundschaften, macht sich aber auch keine Feinde. Mädchen versteht er überhaupt nicht und will deshalb erst recht nicht mit einem befreundet sein. Als Hilke neu an die Schule kommt, hat er nur eine Befürchtung: Sie könnte die Ruhe am Internat durcheinanderbringen, womit er letztlich Recht behalten soll. Nicht aber, weil sich alle Jungs verliebt auf die Neue stürzen, sondern, weil sie ihr an den Kragen wollen. Marten will dem Gruppenzwang, Hilke als Hexe zu verschreien, nicht folgen und nimmt all seinen Mut zusammen, um sich schon nach kurzer Zeit auf ihre Seite zu stellen. Dabei unterstützt wird er vom kleinen Timmy, der ebenfalls nichts davon hält, Hilke so zu behandeln, wie die anderen es tun. Dafür ist Hilke ihnen sehr dankbar und nimmt gerne die ihr angebotene Freundschaft an.
Zusammen erleben die drei nun ein Abenteuer, dass sich außerhalb des Internatslebens abspielt und sich einzig und allein mit Dingen beschäftigt, die ihnen kein Mensch glauben würde. Marten, der sich im Büro des Pastors immer mal wieder ein Buch über Dämonen etc. stibitzt und nach dem Lesen zurückbringt, findet schon bald heraus, dass Hilke eine Visionistin ist. Nicht nur das, irgendeine Fähigkeit scheint sie des nachts Stimmen hören zu lassen, denen sie folgt. Sinn ergibt das alles erst, als ihnen ihr neuer Freund, ein verschrobener, alteingesessener Bewohner der Insel, von einer Legende erzählt, die sich um das geheime Grab eines Deichgrafen dreht. Neugierig, wie alle drei nun einmal sind, lassen sie sich auf ein gefährliches Abenteuer ein, dass ihre Freundschaft auf die Probe stellt, sie in gefährliche Situationen bringt und das so ungeheuerliche Dinge ans Tageslicht bringt, dass sie es selbst kaum glauben können.

Im Weg stehen den drei dabei vor allem die anderen Internatsschüler und die Direktorin Frau Bachmann. Mit den strengen Regeln des Internats und den harten Strafen für Verstöße, wird das Abenteuer zu einem wahren Nervenkitzel. Niemand darf davon erfahren, was jetzt plötzlich vor sich geht – auf Spökerland, der Insel von der man sagt, dass sich auf ihr das Böse verbirgt.

Matthias Heyen hat hier einen tollen Charaktermix erschaffen, der mich absolut begeistert hat. Hilke, Marten und Timmy könnten unterschiedlicher nicht sein und passen vor allem deshalb so gut zusammen. Der kleine Timmy, der nirgendwo dazugehört, Marten, der nirgendwo dazugehören will und Hilke, die nirgendwo dazugehören darf, bilden ein Trio dem man gerne durch das erste Abenteuer auf Spökerland folgt.
Was mir besonders gefällt ist, dass auch die Nebencharaktere alle mit Eigenschaften ausgestattet wurden, die einen sofortigen Wiedererkennungswert haben. Hier bleibt niemand blass, jeder erhält so viel Raum, wie er braucht, um beim Leser ein ausgefülltes Charakterbild zu hinterlassen.

Was mir besonders gefallen hat: 

Zu Spökerland habe ich ganz spontan auf dem Flohmarkt gegriffen und wusste eigentlich gar nicht, worauf ich mich bei diesem Buch einlasse. Ich hatte noch nie davon gehört, es noch nirgendwo gesehen und konnte absolut nichts mit diesem Buch in Verbindung bringen. Heute muss ich sagen: Gut, dass ich es mitgenommen habe.
Als Leserin im Jugend-Fantasy-Bereich bin ich hier auf ein Buch gestoßen, dass in diesen Bereich fällt, aber fernab von allem ist, was ich vorher gelesen habe. Wir befinden uns hier auf einer Insel, die vor allem von Menschen bewohnt wird, deren Familien schon über Generationen dort leben. Alles ist irgendwie traditionell, ein wenig verschroben und mit Sicherheit nicht so idyllisch, wie man sich das Inselleben vielleicht vorstellt. Auf Spökerland verbarrikadiert man bei Sturm nicht nur die Fenster oder erzählt sich hinter vorgehaltener Hand  den neusten Klatsch und Tratsch – nein, hier ist man sich sicher, dass sich auf der Insel irgendwo das Böse verbirgt. So sind die Bewohner der Insel Fremden gegenüber argwöhnisch und wenig redselig und bleiben lieber unter sich. Das Ganze ist so authentisch dargestellt, dass man das Gefühl hat, sich während des Lesens direkt auf der Insel zu befinden. Hier und da werden noch ein paar Brocken Plattdeutsch eingestreut und schon ist das Setting perfekt.

Die Charaktere wurden meiner Meinung nach auch wunderbar gewählt und machen das Buch zu einem Vergnügen für Jung und Alt, sowie für Jungs und Mädchen. Der einfache Schreibstil, die sich langsam aufbauende Spannung und die tolle Geschichte haben mich in ihren Bann gezogen. Gerade die Entwicklung von Marten und die Entwicklung der Freundschaft der drei Hauptprotagonisten sorgen dafür, dass auch die Passagen, die noch nichts mit dem eigentlichen Abenteuer zu tun haben, immer spannend bleiben. Das, was hier zwischen den Zeilen transportiert wird, wird sicherlich dem ein oder anderen auch nach dem Lesen noch im Gedächtnis bleiben. Werte wie Freundschaft und Toleranz, aber auch Eigenschaften wie Mut und Zusammenhalt werden in diesem Buch ganz groß geschrieben.

Was mir nicht so gut gefallen hat: 

Schade fand ich, dass Matthias Heyen die ganze Zeit Wert auf ein authentisches Setting legt, aber leider nicht bis zum Schluss durchgehalten hat. Als es in die Dialoge mit einem Menschen aus dem 18. Jahrhundert geht, wurde leider die Sprache nicht angepasst. Das wäre noch so ein i-Tüpfelchen gewesen, dass die Sache schön rund gemacht hätte.

Was mir dann noch ein wenig zu kurz kam und was hoffentlich in den Folgebänden einen größeren Raum einnimmt, ist Hilkes Fähigkeit als Visionistin. Diese Fähigkeit wird sehr ausführlich eingeführt, hat dann aber keine größere Bedeutung. Das Schlafwandeln und der „offene Geist“ von Hilke sind zwei Eigenschaften, die auch jedem anderen zu Eigen hätten sein können, wohingegen sie die Visionen zu etwas Besonderem machen. Dazu die ganzen Informationen die Marten aus den Büchern des Pastors sammelt – das macht alles ein wenig mysteriöser als es letztlich ist. Für die Folgebände wünsche ich mir deshalb, dass Hilkes Fähigkeit einen größeren Platz einnehmen und damit zur vollen Entfaltung kommen wird.

Gestaltung: 

Das Cover gibt ganz gut den Eindruck wieder, den man beim Lesen des Buches von Spökerland bekommt. Bei der Gestaltung wurde auf Einfachheit gesetzt, die auf den ersten Blick unprofessionell anmuten mag. Geäst, in die Erde gesteckte Hölzer und ein Vogel bestimmen in sattem Schwarz den Vordergrund des Covers. Im Hintergrund kann man das Meer sehen, das Spökerland vom Festland trennt. Darüber zu sehen ist ein wolkenverhangener Himmel, der in einem grün-blau gehalten wurde. So sticht der „Untertitel“ der Reihe mit seinem Rot sehr schön heraus – ein Detail, das mich überhaupt hat zum Buch greifen lassen. Damit hat dieses Cover in meinem Fall genau das erfüllt was es erfüllen soll: Es hat mich als Leser aufmerksam gemacht. Nach dem Lesen kann ich nur sagen: Es passt wie die Faust aufs Auge.

Wertung: 

Mir haben die Charaktere und auch die Geschichte wirklich gut gefallen. Dieses Buch ist definitiv ein überraschendes Lesevergnügen für mich gewesen, von dem ich froh bin es gefunden zu haben. Die kleinen Makel sind verzeihlich, hat doch der Rest rundum für mich gestimmt. So vergebe ich an den ersten Band von Spökerland gerne 4 Lila-Lesesterne und eine klare Leseempfehlung. Band zwei und drei sind jedenfalls direkt auf meiner Wunschliste gelandet.