Rezension

Ein überzeugendes Buch

Unterleuten - Juli Zeh

Unterleuten
von Juli Zeh

Bewertet mit 4 Sternen

Unterleuten, ein kleines Dorf irgendwo im brandenburgischen. Es gibt die Alteingesessenen, deren Familien seit Generationen dieses Dorf bevölkern und dann gibt es die Aussteiger, aus der Stadt, die ihre Vorstellung der dörflichen Idylle leben wollen. Als eine Windkraftanlage gebaut werden soll, regt sich Widerstand. Jahrzehnte lang gepflegte Feindschaften treten zu Tage, ebenso wie Lebenslügen und der Glaube der Zugezogenen, bei all dem mitzumischen zu können. Das Dorf geht alle an! Doch wer sind alle, wenn ständig gegeneinander und nicht miteinander gekämpft wird?

Unterleuten lebt vor allem von der Landwirtschaft. Nach dem Ende der DDR, wandelten die Unterleutener ihre LPG zu einer GmbH um. Treiben Kraft dabei Gombrowski, der Sohn des letzens Unterleutener Großgrundbesitzers und zu DDR Zeiten Leiter der LPG. Gombrowski setzt sich für sein Dorf und die Bewohner ein, dabei ist die Wahl seiner Mittel nicht immer legal und oftmals fragwürdig. Trotz seines Engagements und seiner Stellung im Dorf, erfreut er sich keiner großen Beliebtheit. Sein Widersacher Kron, überzeugter Kommunist und der Querulant im Dorf, lässt nichts aus, um Gombrowski ins schlechte Licht zu rücken.

Dann sind da die Städter, die auf dem Land einen ruhigen, idyllischen Zufluchtsort suchen. Flies, ehemaliger Uniprofessor, und seine junge Frau Jule mit ihrem Baby. Flies arbeitet für den Vogelschutz und legt jedem Bauvorhaben in der Umgebung Steine in den Weg. Das macht ihn bei manchen Bewohnern wenig beliebt. In Unterleuten regelt man solche Sachen unter sich. Das bekommen Flies und seine Familie deutlich zu spüren.

Linda Franzen und ihr Freund Frederik haben sich ebenfalls ein renovierungsbedürftiges Anwesen in Unterleuten gekauft. Linda möchte dort eine Pferdezucht gründen. Auch für sie ist es nicht einfach ihr Ziel zu verwirklichen. Zum einen torpediert Flies ihre Umbaugenehmigung für die Pferdeställe und selbst bei den Koppelzäunen erhebt er Einspruch. Zudem weigert sich ein Investor aus dem Westen, ihr die Wiese hinter dem Haus zu verkaufen.

Als eines Tages bekannt wird, dass Windräder in Unterleuten errichtet werden sollen, ändert sich die Lage. Es regt sich Widerstand, bis einige wenige erkennen, dass die Windräder beschlossene Sache sind und nur die Frage ist, auf welchem Grundstück sie errichtet werden. Durch die großzügige Pacht, wäre derjenige, auf dessen Grundstück die Windräder gebaut werden, saniert. Durch die Windräder kommt Bewegung in das Dorf, alte Fronten brechen wieder auf und lang Vergessenes kommt wieder zu Tage. Nur das dieses Mal die „Neuen“ versuchen in den ganzen verzweigten Seilschaften des Dorfes mitzumischen. Am Ende verlieren einige alles und andere gehen gestärkt aus diesem Umbruch hervor.

Juli Zehs Roman „Unterleuten“ erzählt von einem Dorf, das um seine Existenz kämpft. Dessen ländliche Machtmechanismen jenseits der Gesetzgebung funktionieren. Der Roman verdeutlicht darüber hinaus denn Generationenkonflikt. Es sind noch immer die „alten Männer“, die das Dorfleben bestimmen sowie schon zu Zeiten der DDR.

Doch Juli Zeh malt nicht schwarz-weiß, es gibt nicht da die Guten und auf der anderen Seite die Bösen. Sie lässt die Figuren für sich sprechen und erzählt deren Geschichte. Der Leser erfährt, warum sie so handeln, wie sie es tun. Es gibt die tragischen und die von der Gesellschaft abgehängten, die Glücksritter auf der Suche nach ländlichem Frieden. Dem Roman gelingt ein Portrait eines Dorflebens, das Jahrzehnte lang an alten Strukturen festgehalten und an dessen Oberfläche es gebrodelt hat. Nun genügt ein kleiner Funke, um all die alten Geschichten hochkochen zu lassen. Erst die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit macht eine Neuordnung möglich.

Der Roman ist unterhaltsam geschrieben. Abwechselnd wird aus der Sicht der einzelnen Protagonisten erzählt, so dass der Leser der Handlung gut folgen kann und dabei die Figuren kennenlernt. Man merkt den Charaktere an, dass sie mit viel Sorgfalt und Liebe zum Detail erschaffen worden sind. Die Autorin überzeugt durch eine gute Beobachtungsgabe und durch Menschenkenntnis, die sie in die Figuren einfließen lässt.

Meiner Ansicht nach ist der Roman lesenswert, weil er einen Blick in gesellschaftliche Strukturen erlaubt, die es in ähnlicher Weise sicher gibt. Sowohl die desillusionierte, ältere Generation als auch die 20-30jährigen sind auf den Punkt beschrieben. Die einzige Kritik meinerseits betrifft das Ende. Den Epilog hätte ich in dieser Art nicht gebraucht. Manches kann man sich denken, anderes hätte man vielleicht nochmal aus der Sicht einer etablierten Figur schreiben können, um nicht am Ende eine weitere hinzufügen zu müssen.