Rezension

Ein ungewöhnlich zartes Buch über die Beziehung zu Tieren

Unbehaust - María Sonia Cristoff

Unbehaust
von María S. Cristoff

Stellt euch Folgendes vor: Eine Frau döst auf einer Bank im Zoo, du weckst sie versehentlich. Ihr zerzaustes, übermüdetes Aussehen irritiert dich zunächst, doch dann beginnt sie zu erzählen und du begleitest sie auf ihrem Spaziergang durch das Zoogelände, denn ihrer faszinierenden Art und ihrer philosophischen, fast lyrischen Erzählweise lauschst du wie gebannt.

Liebe ist schön. Aber jeden Morgen Punkt drei Uhr durch die Wände erlauscht, wird sie eine tierische Zumutung: Am Ende muss man fliehen, um woanders zu schlafen. In der U-Bahn, im Café oder auf einer Bank im Zoo. Im Angesicht der Tiere. Dort, im Halbschlaf, sind María Sonia Cristoff diese tiefen, hinterlistigen Gedanken über Mensch und Tier eingefallen: Nachforschungen, Verdachtsmomente, Überlegungen zum Alltag der Zootiere und zum Alltag der Städtebewohner. Dies ist ein federleichtes, sehr ironisches Buch, getragen von großer Liebe zu den Tieren, mit denen der Mensch so viel Schlimmes anstellt, ohne sich viel dabei zu denken. Würden sie sich an all das erinnern - wie man Elefant oder Löwe in Afrika - , es bliebe kein Stein auf dem anderen und wir wären vom Aussterben bedroht.

Selten hatte ich den Fall, dass ich einem Klappentext quasi nicht hinzuzufügen hätte. Eine weit gereiste Journalistin, die aus ihrer Not eine Tugend macht und ein beeindruckendes kleines Buch vorlegt: Das animalische Verhalten ihrer Nachbarn, mit denen sie - trotz Loft - akustisch so eng zusammen wohnt, treibt sie schließlich an den einzigen Ort, an dem sie wirklich Ruhe finden kann: In die domestizierte Welt des Zoos. "Mein Allheilmittel gegen den existentiellen Kater ist der Zoo.", sagt die Journalistin, die auf ihren Reisen am liebsten die Tiergehege der Metropolen dieser Welt besuchte.
Aus dieser ungewöhnlichen Situation heraus beschreibt sie, wie bei einem Spaziergang an den Käfigen und Gehegen vorbei ihre Erfahrungen und Erlebnisse von ihren Reisen, aber auch Legenden und berühmte Ereignisse. Sie nimmt einem mit in ihre Gedanken, streift an den Nilpferdgehegen philosophische Fragen und berichtet bei den Wildtieren von den Menschenfressern von Tsavo und verliert sich in den traurigen Augen der Gorillas.
Erzählerisch dicht und mit einer philosophischen Leichtigkeit, die mich beeindruckt hat.
Ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen - an einem Nachmittag mit meiner schnurrenden Katze auf dem Schoß. Welch Ironie!

Fazit: Dieses dünne Buch ist ironisch, intelligent, erzählerisch dicht und hält uns Menschen den Spiegel vor. Ihre tiefe Bewunderung für die Würde der Tiere fasst die Autorin in betörende Worte, die noch lange nachhallen.