Rezension

Ein vergessenes Leben

Der große Fehler -

Der große Fehler
von Jonathan Lee

Bewertet mit 3 Sternen

Jonathan Lee, ein englischer Autor, den ich seit „High Dive“ (Roman über das Attentat auf Margaret Thatcher 1984 in Brighton) sehr schätze, hat diesmal sowohl den Kontinent als auch den zeitlichen Rahmen gewechselt. In „Der große Fehler“ macht er uns mit einem außergewöhnlichen Mann bekannt, Andrew Haswell Green (1820 – 1903), Anwalt, Bürgerrechtler, Philanthrop, aber auch Planer und Unterstützer der städtebaulichen Entwicklung und Veränderung New Yorks. Die New York Public Library, der Bronx Zoo, zahlreiche Parks, die diversen großen Museen, und nicht zuletzt der Central Park gehen auf sein Konto.

Der Romanbeginn ist gleichzeitig Greens Ende. Als er um die Mittagszeit zu seinem Haus zurückkehrt, fallen fünf Schüsse und treffen ihn tödlich. Zwischen Täter und Opfer gibt es keine Beziehung, die beiden sind sich gänzlich unbekannt. War es ein Versehen? Die Suche nach dem Motiv ist wohl das Zugeständnis des Autors an die Spannungsleser und die Klammer, die diese Geschichte zusammenhält, was aber nur deshalb interessant ist, da durch die Herkunft des Täters der PoC Aspekt ein Randthema des Romans wird.

Lee möchte die Geschichte Greens erzählen, das Wesen dieses vergessenen Giganten ergründen. Er springt zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her, schaut sich dessen entbehrungsreiche Kindheit auf einer ärmlichen Farm an, seinen Umzug nach New York, wo er als Lehrling in einem Gemischtwarenladen arbeitet, danach die Ausbildung zum Anwalt, seine enge Freundschaft mit Samuel Tilden, dem Gouverneur von New York und Präsidentschaftskandidaten, dem er sein Leben lang die Treue hält. Die Beschreibung des damaligen New York hingegen ist interessant und ungewöhnlich, streifen doch Schweineherden und wilde Hunde durch die Straßen, wobei auf die Erlegung letzterer Kopfgelder ausgesetzt sind.

Ein knappes Jahrhundert amerikanisches Leben, klingt interessant, aber dennoch liest sich der Roman anstrengend, ist sperrig, zumal auch der Spannungsbogen von Anfang bis Ende flach bleibt. Die Umstände von Greens Tod kann man recherchieren, ebenso das Motiv des Täters, das in seiner Banalität enttäuschend ist. Interessant finde ich lediglich die Anleihen des Autors bei den großen Namen der amerikanischen Literatur, die immer wieder in den Beschreibungen durchscheinen: Fitzgerald, Steinbeck und Sinclair, um nur einige zu nennen. Kann man lesen, muss man aber nicht.