Rezension

Ein Verräter in den eigenen Reihen?

Strange Angels - Verraten - Lili St. Crow

Strange Angels - Verraten
von Lili St. Crow

*Worum geht's?*
Nachdem Christophe Dru vor Sergej retten konnte, hat er sie und Graves zur Schola gebracht. Dort werden Djamphire und Werwölfe unterrichtet, um sie in ihren übernatürlichen Fähigkeiten zu trainieren. Graves fühlt sich sofort pudelwohl unter seinen Gleichgesinnten, doch Dru hätte niemals einen Fuß in die Schule gesetzt, wenn sie geahnt hätte, was sie dort erwartet. Als Svetocha ist jeder um ihr Wohlbefinden besorgt, jeder fasst sie mit Samthandschuhen an. Dabei will sie lernen, gefordert werden, trainieren! Sie weiß schließlich, wie man kämpft! Dass sie das auch können muss, wird ihr schnell klar, als die Schola von Vampiren attackiert wird. Es handelt sich um Sergejs Schergen, die es nur auf Dru abgesehen haben. Aber woher wissen sie von Drus Aufenthaltsort? Jemand hat sie verraten - und dieser jemand hat Dru fest im Blick...

*Kaufgrund:*
Endlich ist er da, der zweite Teil der "Strange Angels"-Reihe! Lili St. Crow hat mich bereits mit dem ersten Band begeistern können. Dementsprechend groß waren meine Erwartungen an die Fortsetzung!

*Meine Meinung:*
"Strange Angels: Verraten" setzt genau dort an, wo der erste Band der Reihe aufhört: Dru und Graves sind in der Schola angekommen, die ihnen Schutz bieten soll. Lili St. Crow spinnt ihre Geschichte um die junge Svetocha nahtlos weiter, ohne ihren Lesern durch eine kurze Wiederholungsphase die Möglichkeit zu geben, sich erst einmal wieder in das Geschehen hineinzufinden. Es ist daher unbedingt nötig, "Strange Angels: Verflucht" vorher gelesen und das Wichtigste noch im Kopf zu haben. Besonders die Eule ihrer Großmutter und ihre Bedeutung spielen eine entscheidende Rolle in diesem Buch; wer nicht mehr weiß, was dahinter steckt, oder was eine Svetocha überhaupt ist, wird große Verständnisprobleme bekommen!

Nachdem ich den Klappentext gelesen hatte, wurde mir etwas flau im Magen. So, wie es sich anhörte, sollte sich doch tatsächlich der gesamte Roman in der Schola abspielen, einer geheimen Schule für Djamphire und Werwölfe. Sollte die Autorin, die mich im ersten Teil mit ihren originellen Ideen überzeugen konnte, tatsächlich in den Mainstream-Bereich abrutschen und einen übersinnlichen "Highschool-Filler-Roman" schreiben? Während des ersten Drittels schien sich meine schlimme Vorahnung leider zu bestätigen. Die Handlung kam nicht voran, Dru saß in der Schule fest und hatte nicht viel besseres zu tun, als über ihr Schicksal nachzudenken und in der Cafeteria zu essen. Während der Unterrichtsstunden nutzte die Autorin allerdings ihre Chance, dem Leser Drus Welt durch Erläuterungen näher zu bringen.

Glücklicherweise bewies Lili St. Crow ab dem zweiten Drittel, dass es völlig falsch von mir war, sie für eine Autorin zu halten, die Filler-Bände einer Serie schreibt. Dru erfährt eine Menge aus ihrer Vergangenheit, erhält von vielen Seiten die unterschiedlichsten Informationen - aber wem kann sie trauen, wer lügt sie an? Als klar wird, dass sich ein Verräter ganz in ihrer Nähe aufhält und ihr nach dem Leben trachtet, kann die Handlung nichts mehr stoppen. Lili St. Crow zieht das Tempo enorm an und ein aufregendes Ereignis löst das nächste ab. Man wird so stark mitgerissen, dass man beinahe das Atmen vergisst! Und ehe man sich versieht, ist man bereits auf der letzten Seite angekommen und schreit innerlich nach der Fortsetzung.

Auch im zweiten Teil der Serie bleibt Dru eine meiner liebsten Romanprotagonistinnen - obwohl es nicht mehr ganz dieselbe Dru ist, die man im ersten Band kennengelernt hat! Bisher kannte man sie als mutiges, kluges und kontrolliertes Mädchen, nun ist sie eine impulsive und jähzornige Kämpferin. Was auf den ersten Blick wie eine negative Entwicklung aussieht, ist Lili St. Crows großartige Umsetzung von Drus wahrer Natur. Sie steht kurz vor ihrer Blüte und ihre Kräfte als Svetocha, die Dru noch nicht zügeln kann, werden immer präsenter. In ruhigen Momenten wird jedoch deutlich, welch große Last sie auf ihren jungen Schultern zu tragen muss. Nicht selten fließen Tränen bei der toughen Protagonistin, aber ich habe ihr jede einzelne geglaubt und mitgelitten. Im Großen und Ganzen ist Dru in "Strange Angels: Verflucht" nicht die, die sich selbst rettet, sondern die, die oft gerettet werden muss. Aber mal ehrlich: Wer mit so gravierenden Entwicklungen umgehen lernen muss, der hat auch mal Unterstützung verdient!

Von den alten Nebencharakteren habe ich mir leider etwas mehr erhofft. Lili St. Crow hat für Graves und vor allem Christophe im ersten Band eine viel versprechende Basis geschaffen, die geradezu danach schrie, ausgebaut und genutzt zu werden. Bei Graves hat die Autorin es sogar getan! Aus dem Außenseiter wird in der Schola ein echtes Alpha-Männchen, das seinen neuen Ruhm genießt. Er wird dabei jedoch keinesfalls übermütig; Graves bleibt seinem Charakter treu und reift an seinen neuen Erfahrungen. Christophe dagegen bleibt eine geheimnisvolle, wenn auch blasse Figur. Als Leser erfährt man zwar einige wichtige Dinge über ihn und seine Vergangenheit, aber seine Persönlichkeit als solche bleibt rätselhaft.

Die neuen Nebenfiguren waren eine echte Überraschungen für mich! St. Crow hat viele neue Gesichter in die Geschichte gebracht und jeder einzelne von ihnen macht Lust auf mehr! Das liegt nicht nur an ihren interessanten und unterschiedlichen Persönlichkeiten, sondern vor allem an ihrer Bedeutung für die Geschichte. Die Autorin hat sich ein geschicktes Netz aus Geheimnissen verflochten, mit dem sie ihre Leser an die "Strange Angels"-Reihe fesseln kann: Wem kannst du wirklich glauben?

*Cover:*
Fangen wir erst einmal mit dem positiven an: Es ist endlich mal kein Mädchengesicht darauf zu sehen! Zugegeben, ein Junge macht es kaum besser, denn auch hier wird die bildliche Vorstellung eines Charakters "vorgeschrieben". Das Drumherum gefällt mir allerdings super, fast noch besser als beim ähnlich gestalteten Vorgänger.

*Fazit:*
"Strange Angels: Verraten" ist eine gelungene Fortsetzung, die mich nach einem tristen Anfang vollkommen mitreißen konnte. Das lag vor allem an Protagonistin Dru, die mich wieder einmal in jeglicher Hinsicht begeistert hat. Sie ist eine der authentischsten Figuren, die mir in diesem Genre je begegnet ist. Handlung, Nebenfiguren und Schreibstil stehen ihr nur kaum nach. Deshalb vergebe ich insgesamt gute 4 Sterne.