Rezension

Ein Versuch, Babys in den Kopf zu schauen

Geniale Kindsköpfe - Sebastian Berger

Geniale Kindsköpfe
von Sebastian Berger

Bewertet mit 2 Sternen

Positiv zu vermerken ist, dass sich das Buch erst mal, obwohl von einem Wissenschaftler geschrieben, nicht allzu wissenschaftlich liest, sondern eher im Gegenteil: sehr zugänglich. Noch im Vorwort wird einem große Lust auf das Buch gemacht, indem der Autor auch von seinem eigenen Baby berichtet und Fragen aufwirft, die Entwicklung von Babys betreffend, die sehr neugierig machen. Aber leider bereits im ersten Teil des Buches (Das Baby als Wissenschaftler) wird es sehr wissenschaftlich und so gar nicht zugänglich. Das hat bedingt, dass ich öfter mal abgeschweift bin bzw. über ein paar Zeilen nur drübergelesen habe. In diesem Teil spielt die Geschichte und wie damals alles war, eine große Rolle. Am Ende dieses Kapitels erfährt man dann aber doch endlich, warum Babys wie Wissenschaftler arbeiten und was es überhaupt bedeutet, wissenschaftlich zu arbeiten. Der Autor holt einfach nur sehr lange aus, wiederholt seine Fragen immer wieder und kommt erst am Schluss zum eigentlichen Punkt.

Genau dieser Umstand setzt sich in den weiteren Kapiteln fort und das fand ich zunehmend mühsam, zum Teil auch langweilig. Außerdem bin ich nicht umhin gekommen, mir bei der x-ten Vorstellung irgendeines Wissenschaftlers, Dichters oder sonstigen Persönlichkeit, die Frage zu stellen, was die denn jetzt genau mit dem ursprünglichen Thema des Buches zu tun haben, von dem ich doch eigentlich viel lieber gelesen hätte. Diese allzu oft vorkommenden ausschweifenden Exkurse hätten nicht sein müssen.

Wie auch immer: am Ende eines fast jeden Kapitels wird deutlich, dass Babys durch und durch schlaue, kleine Menschen sind. In manchen Belangen können sie tatsächlich sogar Studierenden das Wasser reichen. Und das ist schon erstaunlich! Vor allem mittels der Blickdauer von Babys gewinnt man Erkenntnisse über ihr Logikvermögen, ihren Sinn für Statistik und Ähnlichem. Das ist zwar derzeit der einzige Weg, wie man in Babys Gehirn schauen kann, aber es ist trotzdem bemerkenswert, was man alles herauslesen kann, wenn man die Kleinen in gestellten Situationen nur gut genug beobachtet.

Als dann aber etwa bei der Hälfte des Buches behauptet wurde, dass "die menschliche Fähigkeit zum Lästern funktional und eine Mitursache dafür ist, dass wir so gut miteinander kooperieren können" (S. 112) wurde es mir zu bunt. Zu kooperieren entsteht in dem Fall dann sicher aus Sorge oder noch schlimmer: aus Angst. Babys Entwicklung zur Kooperationsbereitschaft aus rein wissenschaftlicher Sicht zu betrachten finde ich in dem Fall zu einfach.
Ich bin dann zu dem Schluss gekommen, dass Babys Entwicklung (in jeglicher Hinsicht) eine ganzheitliche ist und es viele Komponenten gibt, die da mitreinspielen. Man kann nicht einfach alles rein mit Wissenschaft erklären, dafür ist der Mensch viel zu individuell und komplex. Genau deswegen hat mir dieses Buch nicht zugesagt und würde ich auch nicht weiterempfehlen!