Rezension

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Ein vielschichtiger Roman, der Geschichte lebendig macht

Berlin Friedrichstraße: Novembersturm -

Berlin Friedrichstraße: Novembersturm
von Ulrike Schweikert

Bewertet mit 5 Sternen

Im Jahr 1878 wurde der erste symbolische Spatenstich zu dem damaligen als Jahrhundertbauwerk geltenden Bahnhof Friedrichstraße ausgeführt. Für Samuel Rosenstein als junger Bauingenieur sein erstes Projekt. Für die Zukunft sollte Friedrichstraße das Herz des modernen, mobilen Berlins werden! Vier Jahre später führt er seine Verlobte Auguste an den Platz, dessen Höhepunkt mit einer Festfahrt durch die Einweihung des damaligen Monarchen sein würde.
Samuel und Auguste heiraten und beziehen eine Wohnung am Stuttgarter Platz in eines der "Vorderhäuser". 1890 wurde die Tochter Ilse geboren, 1892 der Sohn Johannes. Wenig später kamen neue Nachbarn ins Haus. Jakob Wagenbach mit seiner Frau Margarete und dessen Sohn Robert. Die Jungen freunden sich gleich an. Die Dritte im Bunde wird Luise, Tochter von Gertrud und Walter Richter. Vor kurzem waren sie in eine der kleineren Wohnungen im Vorderhaus über den Wagenbachs eingezogen. Bei ihrem ersten Treffen auf dem Weg zur Schule bemerkt Luise ein Mädchen im Hintergrund. Das sei Ella, die in die Zweite geht, so die Jungens. Sie sei ziemlich stark und für Pausenbrot trägt sie die Bücher zur Schule. Ella wohnt im "Hinterhaus".
Zitat S. 13
Johannes, Robert und Luise sah man in Charlottenburg nur selten ohneeinander. Und wo die drei waren, war auch Ella meist nicht weit.

Die Handlung setzt sich im Jahr 1920 fort. Der Erste Weltkrieg ist vorbei. Die beiden Freunde Robert und Johannes waren gemeinsam in den Krieg gezogen. Doch zurück kam nur Robert. Johannes galt als verschollen. Luise konnte sich nur schwer damit abfinden, denn sie und Johannes liebten sich und waren heimlich verlobt. Doch die Zukunft würde sie nun mit Robert beginnen. Dieser erhielt nun den Auftrag zum Umbau des Bahnhofs Friedrichstraße. Robert und Luise heiraten.
Irgendwo in Frankreich. 1921 verabschiedet sich Johannes von der Frau, die ihn schwer verwundet gefunden und gepflegt hatte. Sie hatte ihn als ihren Sohn ausgegeben. Die Erklärung dazu im Buch.
So ist es Sommer, als er in Berlin ankommt und auf Ella trifft. Diese nimmt ihn mit zur Kirche, wo die Trauung von Robert und Luise stattfindet. Da Johannes sich nicht bei seiner Familie melden will, kommt er für eine Zeit bei Ella unter. Wie man später in der Handlung erfährt, wird dies nicht ohne Folgen bleiben.
Die Handlung spielt in den Zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Auch wenn die Geschichten um die Charakteren ein hauptsächlicher Bestandteil sind, wird hier schon die politische Entwicklung der damaligen Zeit klar und deutlich dargestellt. Wer sich mit der Thematik der damaligen Zeit auskennt oder gelesen hat, weiß um den Aufstieg von Hitler. Die Wirtschaft liegt immer wieder am Boden, Inflation, Hungersnot prägen die Menschen. Und so spielen die ganzen Umstände der Zeit den Nationalsozialisten in die Hände.
Berlin Friedrichstraße, wie oft bin ich in jungen Jahren und auch später dort gewesen. Doch was die Geschichte darum betrifft, habe ich mich erst jetzt mal im Netz belesen. Bemerkenswert ist, wie die Autorin es sprachlich schafft, ihren Leser in die damalige Zeit zu versetzen. Realistisch und hautnah.
Ich gehe nicht weiter inhaltlich auf das Buch ein. Es spoilert mir zu viel.
Ein ansprechendes Cover rundet das Bild zum Buch ab.
Den Folgeband "Tränenpalast", der im Mai 2022 erscheinen wird, werde ich auf jeden Fall lesen. Denn auch dieses "Gebäude" ist mir nicht unbekannt. Selbst mit meinen kleinen Kindern war ich dort. Wer einmal nach Berlin fährt, sollte ihn auf jeden Fall aufsuchen.
Rundum ein lesenswerter historischer Roman.