Rezension

Ein Wanderer unter Tanteln

Jamies Quest - Cornelia Franke

Jamies Quest
von Cornelia Franke

Von Merlin gesandt, erblüht unser Land durch des Wanderers helfende Hand. Jamie kann nicht glauben, dass gerade er ein sagenumwobener Wanderer sein soll. Eigentlich wollte er nur sein neues Computerspiel starten, als er sich plötzlich in Brior wiederfindet. Von monströsen Spinnen verfolgt, fordert sein Abenteuer all seinen Mut, doch lauert auf Jamie ein weitaus größerer Feind …

Meine Meinung:
Mein Dank gilt dem Autorenduo, die mir Jamies Quest – Aufgabe gesucht, zur Verfügung gestellt haben. Ich bin auf vier Pfoten bereits einige Zeit um das Buch herumgeschlichen, da ich selbst aus der Gamer-Szene komme und die Idee, in einem Spiel zu versinken (nicht nur vom Kopf her) ist schon sehr verlockend – wenn auch nicht neu – aber die Umsetzung macht es hier ja aus.
Das Cover gefällt mir wahnsinnig gut, dennoch ist mir erst, als ich es in Händen hielt, aufgefallen, dass da zig Spinnen drauf sind. Das ließ dann doch ein ungutes Gefühl in mir aufsteigen brrrrrr ;)
Die Figuren werden gut erklärt, nicht nur äußerlich, sondern auch vom Wesen her.
Jamie macht hier natürlich den Anfang, denn er ist unser Protagonist, mit ihm gehe ich auf das wilde Abenteuer und dabei ist er eigentlich nur ein gewöhnlicher Junge mit gewöhnlichen Problemen, der seinen Platz im Leben sucht.
Ihm zur Seite stellt sich Hannes. Der Name wird ihm kaum gerecht, Hannes ist ein wahrer Sympathieträger, ein kleiner Held. Mutig und mit reinem Herzen. Er fällt aber, bei genauem Hinsehen, durch seinen Namen schon sehr auf. Hannes klingt im Vergleich zu Lanasapa, Viisas, Grumdir und Dooley doch sehr gewöhnlich?!
Weitermachen möchte ich mit Grumdir, dem kleinen Suchtbolzen ;), ein Kämpfer und irgendwie innerlich resigniert, wie mir scheint, aber dennoch mit viel Mut behaftet.
Die Sprache ist schön. Manchmal zu schön. Ich denke da nur an die Szenen, wenn die Spinnen mal so richtig loslegen – woah, mir läuft es jetzt noch kalt den Rücken runter … Jamies »Gamer-Sprache« ist verständlich. Vieles, was ggf. nicht bekannt sein dürfte, wird durch Hannes' Unwissen von Jamie erklärt, wovon wiederum der Leser profitiert, wenngleich ich tatsächlich alles verstand, was Jamie sich so wünschte. Hier saßen also tatsächliche Zocker am Werke, wie mir scheint. :)
Fazit:
Wo fang ich denn nun an? Bei den positiven Aspekten. Der Cliffhanger am Ende ist wirklich weise gewählt. Der Leser ist besänftigt mit dem, was er bisher erfahren und erleben durfte und ist trotzdem neugierig auf den kommenden Teil gemacht worden.
Die Fantasie, die in jeder einzelnen Seite steckt, ist bunt und wundervoll. Das Autorenduo hat mir sehr viel Wunderbares gezeigt, auch sehr viele Gegensätze. Eine nahezu blühende Stadt, dunkle Wälder, unheimliche Geisterhäuser … und natürlich jede Menge Spinnen. (Habe ich bereits brrr gesagt?)
Ebenso das Aufgreifen der Geschichte um Merlin ist hier gut platziert. Es fühlte sich zu keinem Zeitpunkt falsch oder unwahr an, was mir sehr gefiel.
Dennoch gab es auch ein paar Dinge, die mir nicht so zusagten. Anfangen möchte ich hier direkt mit Jamie selbst, er steht am Beginn seines Lebens, die Schule liegt fast ganz hinter ihm, er überlegt, wo er im Leben hin will, sein möchte und da fällt ihm mitten in dieser merkwürdigen Welt auf, dass er keine Ahnung hat, wer seine Großeltern sind? Das fand ich leider unglaubwürdig. Das Thema Familie ist im Kindergarten und Schule stets ein großes Thema. Irgendwann kommt der Punkt (spätestens jedes Weihnachten und Geburtstag) da diese einen großen Stellenwert einnehmen. Selbst wenn Familien zerstritten sind, so weiß man doch zumindest, ob man Großeltern hat/hatte. Aber Jamie weiß das nicht und das wird ihm erst jetzt bewusst. Das konnte ich leider nicht glauben.
Die Zigarettensucht von Grumdir fiel mir auch etwas auf. Nein, ich bin keine eingefleischte Raucherin und Jamies Quest ist auch kein Buch für Minderjährige, aaaaber … ich wurde nach Brior entführt, zu einem Frosch-Bürgermeister, begleitet von einem Fennek, verfolgt von Tanteln … und Grumdir raucht Zigaretten. Das wirkte so deplatziert wie ein Schweinchen das Schwanensee tanzt ;). Okay, ich muss positiv hervorheben, Grumdir raucht nicht einfach Zigarette, sondern er raucht Kräuter, aber ich hätte mir hier gewünscht, ein anderes Wort dafür zu erfahren, vielleicht raucht er eine Knallpfeife, die bei jedem Zug ein leises Klacken von sich gibt, oder eine Glimmrübe, die nur begrenzt haltbar ist, oder eine blaue Kringelnuss, etwas, was sich eben in diese wunderbare Welt einfügt. Und da Grumdir wirklich an seiner Sucht hängt, kommt diese sehr häufig vor, was mir eben sehr häufig auffiel.
Auch fiel es mir schwer, am Ball zu bleiben. Es fehlte mir ein wenig der Schwung, der mich von Seite zu Seite trägt, der Spannungsbogen wurde stets versucht aufzubauen, doch hier und da flaute er abrupt ab. Gegen Ende hin wurde dies sehr viel besser.
Alles in allem habe ich hier eine tolle Abenteuer-Geschichte in einer tollen Welt mit unterschiedlichen Protagonisten, mit Geheimnissen und gen Ende auch mit Spannung. Die liebevolle Gestaltung des Buchs, sowohl außen, als auch innen, zeigt deutlich, wie viel Herzblut das Autorenduo hier reingesteckt hat. Die Ideen, die hier verbaut wurden, sind vielfältig und liebevoll durchdacht (okay, der Käfer ist irgendwie eklig ;)) - ganz toll. Aber es dürfte etwas mehr Schwung haben, etwas mehr Konsequenz, dann hätte es mich auch komplett mit sich gerissen.
Lesenswert? Ja, aber mit Einschränkung, das hier ist kein WoW, kein Anarchy Online oder Elder Scrolls, es ist Jamies Quest!