Rezension

Ein wichtiges Buch, dass viele Leser verdient hat!

Ellbogen
von Fatma Aydemir

Bewertet mit 5 Sternen

Die Ich-Erzählerin in „Ellbogen“ ist Hazal, eine 17jährige Deutsch-Türkin, die in Berlin lebt. Die Handlung setzt ein kurz vor ihrem 18. Geburtstag, den sie mit ihren Freundinnen feiern will, sie wollen ausgehen, tanzen. Ihre Freundinnen, Gül und Ebru, sind auch Türkinnen, Elma ist Bosnierin. Und so scheint Hazal in einer Parallelwelt zu leben, alle Leute, die sie kennt, haben ausländische Wurzeln, sie nennt sie „Kanaken“ im Gegensatz zu den Deutschen, den „Kartoffeln“.

Hazals Welt ist ganz anders, als die von deutschen Mädchen in ihrem Alter. Sie hat strenge Eltern, die ihr wenig erlauben und sieht kaum Zukunftsaussichten für sich. Das liegt auch an dem Rassismus, den sie täglich erlebt. Dieser muss sich nicht mal in Worten äußern: der Ladendetektiv beobachtet sie besonders genau, es ist für sie schwerer einen Ausbildungsplatz zu bekommen.

Sie sieht so wenig Zukunft für sich, dabei hätte sie ein Vorbild in der Familie: Tante Semra, die studiert hat, als Sozialarbeiterin arbeitet und ein selbstbestimmtes Leben führt.

Dieser Roman hat mich sehr überrascht und beeindruckt. Warum? Er schafft es, uns Deutschland durch die Augen einer Deutsch-Türkin zu zeigen. Und das ist ein ganz anderes Deutschland, als ich es sehe. Das Buch zeigt die Zerrissenheit des Mädchens: sie wächst in einer Kultur auf, die nicht die Kultur des Landes ist, in dem sie lebt. Sie ist keine Deutsche, sie ist aber auch keine Türkin. Ich glaube, sie fühlt sich als Mensch zweiter Klasse.

Die Sprache im Buch ist umgangssprachlich, krass, so wie Hazal sprechen würde. Das ist gewöhnungsbedürftig, aber genau richtig. Auch wenn mich die Ausdrücke an vielen Stellen abgestoßen haben, so vermitteln sie doch die Situation perfekt.

Hazal begeht im Laufe der Handlung eine große Dummheit. Das Buch verteidigt sie nicht, aber es zeigt, wie es soweit gekommen ist.

Ein wichtiger Roman in der heutigen Zeit! Er beschönigt nicht, er stellt sich nicht auf eine Seite, er zeigt einfach den Ist-Zustand. Ich wünsche dem Buch viele Leser, die das Gelesene reflektieren und in sich aufnehmen.

PS: Im Text kommt oft das Wort „Abla“ vor, wird aber nicht weiter erläutert. Klar, kann man googeln, man kann aber auch die türkischen Nachbarsmädchen fragen. Es bedeutet „Schwester“.

Kommentare

Naibenak kommentierte am 29. Juni 2017 um 09:35

Noch so eine schöne Rezi! Dieses Buch habe ich schon länger auf der Wuli! Spätestens jetzt aber wäre es drauf gelandet :-)

TanyBee kommentierte am 05. Juli 2017 um 12:48

Das freut mich, es lohnt sich!

Naibenak kommentierte am 13. Oktober 2018 um 11:04

Jetzt endlich habe ich das Buch gelesen und bin total begeistert. Gänsehaut!!! ;)