Rezension

Ein wichtiges Buch zu einem kontroversen Thema

"Davon haben wir nichts gewusst!" - Peter Longerich

"Davon haben wir nichts gewusst!"
von Peter Longerich

Nach dem allierten Sieg über die Nazidiktatur standen die Deutschen, scheinbar, fassungslos vor den Verbrechen gegen die Juden, den Homosexuellen, den Behinderten, den Kommunisten und weiteren Personengruppen (man könnte diese Liste noch lange fortführen). Die Shoah (der Völkermord an den europäischen Juden) nimmt einen einzigartigen Platz in der menschlichen Geschichte ein und (fast) alle Deutschen reagierten, nachdem die Verbrechen in aller Welt bekannt wurden, ähnlich: "Davon haben wir nichts gewusst." oder aber: "Wenn wir davon gewusst hätten, ..."

Der Historiker Peter Longerich hat sich mit diesem Buch der Aufgabe verschrieben, zu untersuchen, ob die Deutschen tatsächlich nichts von der Shoah wussten/mitbekommen haben, oder ob das Jahrhundertverbrechen ignoriert oder vielleicht sogar stillschweigend gebilligt wurde. Longerich beachtet sowohl vielfältige Quellen, wie auch Werke anderer Historiker zu diesem Thema. Er thematisiert in seinem Buch unter anderem die "Volksmeinung" im Dritten Reich, den Boykott jüdischer Geschäfte und Einrichtungen, antisemitische Krawalle, die "Nürnberger Rassegesetze", das Novemberpogrom, die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung nach Kriegsbeginn, die, von den Nazis konstruierte, Verbindung von Judentum und Bolschewismus, wie auch die "Endlösung" und die Drohung der "jüdischen Rache". Er differenziert gekonnt zwischen Illusion und Realität in der "Judenpolitiuk" des NS-Regimes. 

Besonders lobenswert ist Longerichs Umgang mit den untersuchten Quellen, die er kritisch auf Glaubwürdigkeit hin überprüft, und dass er es sich nicht so einfach macht zu sagen, alle (oder gar niemand) haben alles (oder gar nichts) gewusst. Er kommt zu einem sehr differenzierten Urteil, dass den Mythos des "nicht-gewusst-habens" eindrucksvoll widerlegt. 

Fazit: Ein lesenswertes, wichtiges Buch - nicht nur für historisch Interessierte.