Rezension

Ein wichtiges, ein revolutionäres Buch

Wie wir lieben - Friedemann Karig

Wie wir lieben
von Friedemann Karig

Bewertet mit 5 Sternen

Schade, dass dieses Buch nicht schon vor dreißig Jahren geschrieben wurde. Und schade, dass ich es deshalb nicht damals schon lesen konnte.

„Die Liebe bleibt auch, oder vielleicht besonders dem ein Rätsel, der sie erforscht. … Man kann Liebe nicht können oder verstehen. Man kann nur versuchen, glücklich zu sein, glücklich zu lieben.“

Das schreibt Friedemann Karig im Epilog zu seinem Buch, in welchem er gründlich und klug über viele Aspekte polyamorer Beziehungen nachdenkt und Vergleiche zur tradierten Form des Zusammenlebens, der Monogamie, zieht. Dabei gelingt es ihm, ruhig und souverän ein ganzes Weltbild auf den Kopf zu stellen.

Faszinierend ist nicht nur das Thema an sich, sondern auch der Schreibstil. Der Autor überzeugt als exzellenter Rhetoriker, der seine Thesen bestechend logisch untermauert, mit interessanten Zitaten anreichert und einer angenehmen Prise Humor würzt. Im Wechsel mit den sachlichen Hintergründen, die jeweils unter verschiedensten Aspekten wie soziologischen, biologischen, historischen oder politischen eingehend beleuchtet werden, kommen Menschen zu Wort, die über ihre Beziehungen sprechen. Gerade diese sehr offenen Erfahrungsberichte bewirken eine große Nähe und Authentizität. 

Themen wie Sex, Liebe, Eifersucht, Treue und Freiheit werden durchleuchtet, die Begriffe definiert, erklärt, neu entdeckt. Das gelingt gleichermaßen behutsam wie radikal und ist geeignet, neue Einsichten zu eröffnen. Wer sich ohne Vorurteile auf diesen Lesestoff einlassen kann, wird nicht umhin kommen, Beweggründe für eine konventionelle Bindung sehr kritisch zu hinterfragen.

Karig verspricht keineswegs Menschen, die diesen Weg der Polyamorie beschreiten oder ihn als Möglichkeit auszuloten versuchen, ein leichteres Leben. Aber er sieht darin die Chance auf ein glücklicheres. Als Grundvoraussetzung nennt er immer wieder die Bereitschaft zum Gespräch sowie den Willen, offen, ehrlich und sensibel miteinander umzugehen. Gelingen kann „… eine bewusste Liebe. Eine Liebe, die sich selbst in Frage stellt und dabei neue Antworten findet. Eine Liebe, die mehr will. Vielleicht sogar alles.“

Ein ebenso beunruhigendes wie ermutigendes Buch, das sicher den Leser ein Stück weit verändert und ihn nachdenklich entlässt.