Rezension

Ein wichtiges und zutiefst bewegendes Buch!

Kompass ohne Norden - Neal Shusterman

Kompass ohne Norden
von Neal Shusterman

Bewertet mit 4 Sternen

Beim Durchstöbern der Vorschau des Hanser Verlags ist mir „Kompass ohne Norden“ sofort ins Auge gesprungen. Das Cover und besonders der Klappentext konnten mich auf Anhieb überzeugen. Der Name des Autors sagte mir natürlich etwas, gelesen hatte ich bisher allerdings noch kein Buch von ihm. „Kompass ohne Norden“ sollte ich daher mein erstes Werk von Neal Shusterman werden.

 

Auf den ersten Blick wirkt Caden wie ein ganz normaler Junge. Er selbst hat sich zumindest immer für einen gehalten, nur macht ihm sein Verstand da einen Strich durch die Rechnung. Immer wieder entführt er Caden auf Reisen an fantastische Orte, fern von aller Realität. So passiert es, dass sich Caden im tiefsten Ozean wiederfindet oder auf einem Schiff. Aber auch im wirklichen Leben lässt ihn sein Verstand im Stich. Überall lauern Bedrohungen, Gartenschläuche verwandeln sich etwas Gefährliches, jemand will ihn umbringen, Blicke verursachen Unbehagen. Immer mehr verschwimmt die Grenze zwischen Realität und Fantasie, immer mehr wird Caden Gefangener seines eigenen Kopfes.

 

Bücher, die von psychischen Erkrankungen handeln, habe ich schon immer sehr gerne gelesen. Ständig lesen könnte ich sie nicht, da sie ja doch recht ernst sind und einen nicht selten schockieren – da ich solche Bücher aber unglaublich wichtig finde, packe ich sie auf meiner Leseliste stets sehr weit nach oben.

 

„Kompass ohne Norden“ war mal wieder so ein Buch, welches mir richtig unter die Haut gegangen ist und mich sehr berührt hat. Verstärkt wurde dies auch dadurch, dass der Autor eigene Erfahrungen in die Handlung hat mit einfließen lassen, wie er in einem Vorwort erklärt. Bei Neal Shustermans Sohn Brendan wurde, als er 16 Jahre alt war, eine schizoaffektive Störung diagnostiziert und er hat Ähnliches durchgemacht wie unser Protagonist Caden. Die Zeichnungen, die sich in dem Buch befinden, stammen sogar von Brendan, welche er während seiner Klinikzeit gemalt hat. Die Zeichnungen fand ich hier absolut passend, da auch Caden gerne zeichnet.

 

Caden ist so jemand, der man einfach gern haben muss, er ist nett, freundlich und witzig. Vor seiner Erkrankung war er ein ganz normaler Junge, mit dem man gerne Zeit verbringt. Doch dann beginnt er sich schleichend zu verändern. Er denkt über Dinge nach, über die sich die meisten gar keine Gedanken machen, er fühlt sich bedroht, denkt, dass ein Junge an seiner Schule ihn umbringen will. Seine Psyche spielt zunehmend verrückt, immer krankhafter wird sein Verhalten und Denken. Caden befindet sich nun immer öfters auf einem Schiff, Fantasie und Realität verschwimmen zunehmend und irgendwann ist Caden so sehr Gefangener seines eigenen Kopfes, dass er daraus nicht mehr ohne Hilfe hinauskommt.

 

Das Buch besitzt zwei Handlungsstränge: Einmal dürfen wir Caden in der Realität begleiten und erleben mit, wie sehr sich sein Leben aufgrund seiner Schizophrenie verändert. Dann reisen wir mit Caden in seine eigene Fantasiewelt, landen in dieser auf dem Grund des Ozeans oder sind Passagier eines Schiffes.

Ich fand diese Vermischung von zwei Handlungssträngen sehr gut gewählt für die Thematik des Buches. Alles wirkt dadurch sehr authentisch und macht nur zu deutlich, wie schlimm es ist, mit so einer psychischen Erkrankung zu leben.

 

Ich hatte nur leider gerade mit dieser Erzählweise so meine Probleme. Die Idee dahinter finde ich wirklich super, nur habe ich beim Lesen gemerkt, dass mir dieser komplexe Aufbau der Geschichte einfach nicht so lag. Die Geschehnisse in der Realität haben mir bei weitem besser gefallen als die in der Fantasiewelt. Cadens Erlebnisse auf dem Schiff haben mich immer etwas verwirrt zurückgelassen. Vielleicht war dies sogar vom Autor so gewollt, ich weiß es nicht. Mir hat es nur leider etwas meinen Lesespaß geraubt. Wirklich schade, denn „Kompass ohne Norden“ ist ein ganz besonderes und sehr emotionales Buch. Ich habe mir auch wirklich Mühe gegeben, nur leider bin ich mit dem Schreibstil bis zum Ende nicht so richtig warm geworden.

 

Ich bin aber trotzdem ganz fasziniert von dem Buch. Es ist authentisch, ergreifend und zutiefst bewegend und auch wenn ich mit den zwei Erzählsträngen so meine Probleme hatte, habe ich Caden dennoch sehr gerne auf seinem schwierigen Weg begleitet. „Kompass ohne Norden“ ist ein Buch, welches Mut und Hoffnung macht, Betroffenen wie Angehörigen. Psychische Erkrankungen sind leider keine Seltenheit, dennoch wird viel zu selten offen darüber gesprochen. Gerade deswegen finde ich dieses Buch so wichtig, da es aufzeigt, was Menschen, die an Schizophrenie erkrankt sind, durchmachen müssen und es wird hoffentlich dabei helfen, solche Menschen besser zu verstehen.

 

Fazit: Ergreifend, emotional, authentisch. Mit „Kompass ohne Norden“ ist Neal Shusterman ein außergewöhnliches und wichtiges Buch gelungen, welches mich sehr bewegt und berührt hat. Obwohl mich Cadens Geschichte wirklich sehr beeindruckt hat, kann ich dem Buch leider dennoch keine volle Sternenzahl geben. Es besitzt eine ganz besondere Erzählweise, auf die ich mich leider bis zum Ende nicht komplett einlassen konnte. Ich kann „Kompass ohne Norden“ aber natürlich dennoch absolut empfehlen und vergebe 4 von 5 Sternen!