Rezension

Ein wirklich richtig guter Roman über das Erwachsenwerden und die Bedeutung von Vorurteilen

Eine Farbe zwischen Liebe und Hass - Alexi Zentner

Eine Farbe zwischen Liebe und Hass
von Alexi Zentner

Bewertet mit 5 Sternen

Jessup ist 17 und stammt aus schwierigen Verhältnissen, aber das tun die meisten dort, wo er herkommt. Football ist seine Welt und er hofft, dass ihm sein Sport helfen wird, Mississippi hinter sich zu lassen und damit auch die schwierigen Verhältnisse.

Gerade wurde sein Stiefvater aus dem Gefängnis entlassen. Er ist ein White Supremacist – ein Rassist – und saß im Gefängnis, weil er dabei war als sein anderer Stiefsohn, Ricky, zwei schwarze Studenten zu Tode geprügelt hat.

Jessup hält sich selbst nicht für einen Rassisten, immerhin ist seine Freundin schwarz! Dann kann er ja kein Rassist sein. Und er findet es ungerecht, dass er angefeindet wird für das, was sein Bruder und sein Stiefvater getan haben.

Ein Unfall verändert Jessups Leben für immer. Er muss sich jetzt entscheiden, woran er selbst glauben will und was für ein Mensch er sein möchte.

 

 

Alexi Zentner hat in diesem Buch ein tolles Bild vom immer noch offen gelebten Rassismus und der Instrumentalisierung von Geschehnissen und Menschen in den USA gezeichnet. Damit trifft er den Zeitgeist auch bei uns, da durch die AfD das Thema wieder deutlich präsenter geworden ist, allein schon, weil sich immer mehr Menschen trauen, ihren Rassismus offen zu zeigen.

 

Durch Jessup erkennt man sehr gut die Abstufungen, die es gibt. Sein Stiefvater ist zum Beispiel ein Rassist und lebt das ganz offen, er gehört zur „Heiligen Kirche des weißen Amerika“. Sein Bruder Ricky ist ebenfalls Rassist, er hat den Oberkörper voller entsprechender Tattoos und sitzt 16 Jahre im Gefängnis für den Mord an zwei schwarzen Studenten. Jessup glaubt die Version, die Ricky und sein Stiefvater erzählen und dass beide in Notwehr gehandelt haben, dass sie nur verurteilt wurden, weil der Staatsanwalt keinen Wirbel machen wollte und es Proteste gab. Wären die Studenten weiß gewesen, wären sie freigesprochen worden, da ist sich Jessup sicher.

Jessup glaubt, er sei kein Rassist. Doch schon sehr früh im Buch wird deutlich, dass es Graustufen gibt. Jessup hat eine farbige Freundin, also kann er kein Rassist sein, so seine Meinung. Doch gleichzeitig ist er sich sicher, dass er nur deswegen nicht Captain des Football Teams ist, weil er weiß ist und sein Trainer, der Vater seiner Freundin, schwarz und als Schwarzer würde er ihn niemals zum Captain machen, obwohl er der beste Spieler ist. Doch er ist eben auch der Sohn eines Rassisten und weiß. Jessup erkennt nicht, dass allein schon in diesen Gedankengängen Rassismus steckt.

Es ist auch faszinierend, wie das Thema unterschwellig immer wieder aufflackert und man oft erst in letzter Sekunde merkt, auf welcher Seite jemand steht. Manche Charaktere sind richtig gehende Fanatiker, andere „nur“ Mitläufer.

 

Alexi Zentner konfrontiert einen auch mit der „Geheimsprache“ der White Supremacists. Worte, die etwas anderes bedeuten können oder auch Begriffe, die man nie zuvor gehört hat, wie zum Beispiel „Rahowa“, ein Begriff der den „Heiligen Rassenkrieg“ bezeichnet. Ich finde es so toll, wie diese Begriffe gestreut und erläutert werden und man sitzt als Leser da und denkt sich: wie ungebildet bin ich eigentlich, dass ich all das nicht wusste? Oder muss ich froh darüber sein?

 

Das Buch ist ungewöhnlich gegliedert. Es gibt keine Kapitel, sondern nur Abschnitte, die wie Kapitel fungieren, aber nicht gezählt oder klar abgegrenzt werden, indem sie zum Beispiel auf einer neuen Seite beginnen. Es sind Abschnitte mit ein paar fett gedruckten Worten am Anfang. Durch die fehlenden Kapitel wird man nicht aus der Geschichte gerissen. Es gibt, wenn man so will keine Atempause. Auch wenn man durch Zeit und Raum springt, merkt man es nicht so sehr. Es gibt Romane, bei denen mich eine solche Gliederung sehr gestört hat, weil ich den Überblick verloren habe. Aber hier wird fast alles von Jessup erzählt, allerdings nicht als Ich-Erzählung, dadurch bleibt man in der Geschichte. Er springt zwar, aber da er als Konstante fungiert verliert man nicht den Überblick. Man muss sich nicht auf andere Charaktere einlassen oder mit deren Sichtweise klar kommen, man erfährt alles durch Jessup gefiltert, was einen als Leser umso aufmerksamer werden lässt. Kann man alles glauben, was Jessup einem erzählt? Oder sieht er vielleicht manches durch die Rassismus-Brille?

 

Während Jessup versucht herauszufinden, woran er wirklich glaubt, scheint ihn die Stadt und auch sein Umfeld in eine Schublade zu stecken. Er ist „der Sohn von“ und wird immer mehr in diese Ecke gedrängt und abgestempelt. Gleichzeitig muss man sich als Leser aber auch hier wieder fragen: passiert das wirklich, oder sieht Jessup Ungerechtigkeiten, die es gar nicht gibt? Und was ist mit der anderen Seite? Denn je weiter das Buch fortschreitet, desto mehr treten auch die Mitglieder der „Kirche“ in Erscheinung.

 

Eines ist auf jeden Fall klar bei diesem Buch: es gibt nicht nur schwarz oder weiß. Vorurteile gibt es in jeder Gesellschaft und gegenüber jedem Menschen. Es geht nicht nur um die Rasse, sondern auch um die Familienzugehörigkeit, oder die Kirchenzugehörigkeit. Es gibt so viele Gründe, aus denen Menschen ein vorgefertigtes Urteil über andere Menschen ins Feld führen. Dieses Buch macht das sehr deutlich. Es zeigt aber auch, dass kaum ein Mensch wirklich frei von Vorurteilen oder auch Rassismus ist. Klar gibt es auch solche Menschen, die ihre Vorurteile kultivieren und so lange mit Verschwörungstheorien und gefühlten Ungerechtigkeiten nähren, bis daraus Hass entsteht.

 

 

Fazit: Mir hat das Buch wirklich richtig gut gefallen. Ich finde es so toll, wie es nicht den Zeigefinger erhebt, sondern den Leser selbst Misstöne hören lässt. Man wird gefordert sich selbst eine Meinung zu bilden, zu hinterfragen.

Jessup ist als Protagonist wirklich sehr interessant. Er wuchs auf in einer Welt, in der Rassismus gepredigt wurde. Er selbst weiß nicht genau wo er steht. Er ist 17 Jahre alt und ein Unfall zwingt ihn erwachsen zu werden. Er muss sich entscheiden was für ein Leben er führen will und ob die erlernten Vorurteile ein Teil davon sein sollen.

 

Ich fand es wirklich richtig gut, wie das Buch die Thematik eingefangen hat. Man erfährt alles aus Jessups Sicht und muss sich selbst ein Urteil bilden.

 

Von mir bekommt das Buch volle 5 Sterne.