Rezension

Ein wirklich wichtiges Buch

Die Farbe von Schmerz - A. L. Kahnau

Die Farbe von Schmerz
von A. L. Kahnau

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt:

Romy sehnt ihren 18. Geburtstag herbei, aber nicht deswegen, weil sie dann die Clubs unsicher machen und Alkohol trinken kann, sondern, weil sie dann endlich ausziehen und von ihrem Stiefvater wegkommen kann.

Dieser hat nämlich seine ganz eigenen Vorstellungen davon, wie Romy zu sein und was sie zu tun hat und jede Missachtung wird von ihm mit Schlägen und Tritten beantwortet.

Ein richtiges Zuhause, in dem sie sich wohlfühlen kann, hat Romy also schon lange nicht mehr. Doch als die Situation eskaliert gibt es für das Mädchen nur noch einen Ausweg: Sie muss weg. Nur wo kann sie sich verstecken, ohne, dass Richard sie findet? Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt … .

Meine Meinung:

Von A.L. Kahnau hatte ich schon „Juli im Winter“ gelesen, das mich mit seinem ernsten Thema wirklich berührt hat. Ich finde es wichtig, dass es auch Bücher gibt, die die Realität widerspiegeln und das mit all ihren grausamen Facetten. Deshalb war ich sofort von dem Thema ihres neuen Buches angetan und wollte es unbedingt lesen.

Die Geschichte beginnt mit dem Ausschnitt, den man bereits im Klappentext findet. Ohne Umschweife wirft A.L. Kahnau ihre Leser in die Geschichte und zeigt auf fast schon poetische Art das Martyrium von ihrer Protagonistin Romy. Und obwohl sie tatsächlich einen bildlich sehr schönen Vergleich verwendet, ändert dieser doch nichts an dem Schrecken, der hinter den Worten steckt. Denn das, was Romy da mitmachen muss, ist ohne es zu beschönigen einfach nur Horror. Sie verkriecht und verbarrikadiert sich in ihrem Zimmer und lebt in ständiger Angst, etwas falsch gemacht zu haben. Da gerade Ferien sind, verbringt sie sehr viel Zeit zuhause und hat noch weniger Möglichkeiten zur Flucht. Sie ist ihrem unberechenbaren Stiefvater hilflos ausgeliefert und obwohl das sehr realistisch und authentisch und oft leider das Bild in solchen Familien ist, hätte ich am liebsten die Mutter durchgeschüttelt. Wieso hilft sie Romy nicht? Wieso steht sie nicht für ihre Tochter ein und beschützt sie? Mein Mutterinstinkt hat hier wirklich laut aufgeschrien. Ich werde wohl nie verstehen können, wieso manche Frau sich das selbst und ihren Kindern antut.

Überhaupt ist hier die Welt wirklich verdreht, denn Romy ist es, die hier ihre Mutter schützt. Aus Angst, das Glück ihrer Mutter zu zerstören schweigt sie nämlich. Auch das ist wirklich völlig glaubwürdig und hört man immer wieder, wenn man von solchen Geschichten erfährt. Mir tat Romy nicht nur leid, ich habe richtig mit ihr mitgelitten. Was muss diese junge Frau nur alles aushalten? Wie verzweifelt muss sie sein? Meine Nerven waren so angespannt und ich war wirklich fassungslos. Da sieht man mal, wie es A.L. Kahnau geschafft hat, mich mit ihrer Geschichte zu berühren. Romy ist eine Protagonistin, die man einfach gern haben muss. Obwohl sie so ein Martyrium erlebt, war sie für mich wirklich eine starke Persönlichkeit. Anstatt in Selbstmitleid zu zerfließen, wird sie aktiv und sucht einen Ausweg aus ihrer Situation und in meinen Augen einen sehr „erwachsenen“ Ausweg. Ich habe sie wirklich bewundert. Was für eine tolle, junge Frau.

Dadurch, dass Romy so stark ist, macht A.L. Kahnau meiner Meinung nach, Betroffenen, die dieses Buch lesen, auch Mut. Natürlich kann nicht jeder so sein, wie die Protagonistin. Manchmal ist man vielleicht einfach nur verzweifelt und sieht keinen Ausweg, aber trotzdem zeigt diese Geschichte, dass man nicht so leben muss, dass jeder ein gewaltfreies Leben verdient hat. Jeder Mensch ist wertvoll und manchmal muss man einfach für sich selbst einstehen, wenn es andere nicht tun (können). Für mich hatte dieses Buch jedenfalls diese wichtige Botschaft, die mir direkt ins Herz ging.

Was mich jedoch am meisten aufgewühlt hat, war die Tatsache, dass Romy so auf sich allein gestellt war. Zwar hatte sie sich am Anfang ihrer Freundin anvertraut, doch anstatt wirklich Hilfe zu bekommen, ging alles schief und hat die junge Frau nur noch mehr in die Isolation getrieben. Menschen, die so etwas Schlimmes erleben, sind oft perfekt im „vertuschen“. Sie haben sich über Jahre hinweg Strategien aufgebaut, die es ihnen ermöglichen die Fassade aufrechtzuerhalten. Und für Außenstehende ist es oft besonders schwierig hinter diese Mauer an Lügen blicken zu können, gerade deswegen kann man nicht sensibel genug sein. Deshalb sollte man die Aussagen und Ängste von Kindern immer ernstnehmen und schauen, was dahintersteckt. Gerade als Erzieherin und Mutter hat es mir fast das Herz zerrissen, dass Romy von niemandem wirklich Hilfe erhält. Dieses Buch ist also für mich doppelt wichtig. Es soll nicht nur Betroffenen Mut machen, sondern vor allem auch alle sensibilisieren, nicht wegzusehen oder die Augen zu verschließen. Schaut hin, seid aufmerksam und steht anderen bei.

 

Fazit:

„Die Farbe von Schmerz“ von A.L. Kahnau ist in meinen Augen ein sehr wertvolles Buch. Es zeigt das Martyrium von Romy auf, wobei die Autorin sehr sensibel mit diesem Thema umgeht. Trotzdem macht sie in meinen Augen mit ihrer starken Protagonistin Betroffenen Mut, zeigt aber auch auf, dass die Opfer häufig alleingelassen werden und kaum Hilfe bekommen. Deshalb hat das Buch für mich eine ganz besonders wichtige Botschaft: Nehmt Aussagen und Ängste von Kindern ernst, schaut hin und seid aufmerksam!

Liebe A.L. Kahnau, vielen lieben Dank für dieses emotionale und so wertvolle Buch!

Von mir bekommt das Buch 5 Punkte von 5.