Rezension

Ein Wochenendtrip in die nähere Vergangenheit

Mein Mauerfall - Juliane Breinl

Mein Mauerfall
von Juliane Breinl

Bewertet mit 5 Sternen

Ein tolles Sachbuch, das die Fakten kindgerecht auf den Punkt bringt. Lesenswert!

Das Buch:

Bei diesem Buch handelt es sich um eine wirklich gelungene Mischung aus Theos Erzählung über einen Wochenendtrip mit seinen Eltern in das kleine Dorf Eichsfeld an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze und der Erläuterung von Fakten.

Die Familie kommt zum 50. Geburtstag der Zwillinge Kathrin und Jana zusammen. Beide sind in der DDR geboren und aufgewachsen, haben jedoch völlig unterschiedliche Ansichten – genau wie ihre Eltern. Aus dieser Familienzusammenkunft und dem Thema DDR entstehen im Laufe des Buches immer wieder kontroverse Diskussionen über „Was war gut?“ und „Was war schlecht?“ und „Wie war es überhaupt?“. Um Fakten zu beschaffen und entsprechende Fragen zu stellen, bedient sich Theo zusätzlich eines Histeos bei Youtube, welches von einem jungen Rollstuhlfahrer gemacht wird.

Mir gefällt das Moderne in der Geschichte. Es wird von Museen berichtet, die man besuchen kann, von der modernen Technik, die heute nicht mehr weg zu denken ist und zeitgleich wird die Vergangenheit beleuchtet. Das ist tatsächlich wunderbarer Geschichtsunterricht, der überhaupt nicht langweilig ist. Ganz im Gegenteil, es finden sich beim Leser selbst ganz sicher weitere Fragen.

Aufmachung:

Das Buch ist hochwertiger aufgemacht. Die Außenumschläge sind robust, sodass auch vielfaches in die Hand nehmen keinen Schaden anrichten sollte. Die Seiten sind glänzend und dicker als in Romanen. Das gefällt mir gut, denn ein solches Buch kann gut als Nachschlagewerk benutzt werden. Der Preis von 15,00 ist meiner Ansicht nach gerechtfertigt.

Die 4 Kapitel befassen sich jeweils mit eigenständigen Themen, wandern dabei jedoch auf dem Zeitstrahl stetig vorwärts. Die Faktensammlung beginnt beim Ende des 2. Weltkrieges und der Teilung Deutschlands und sie endet im Heute, erklärt wie es zum Mauerfall, der Wiedervereinigung und zur Einführung des Euro kam. Dabei kommen neben der durchgängigen Geschichte einerseits Berichte von Zeitzeugen zum Einsatz – die mir beinahe am besten gefallen haben, weil sie die Erklärungen lebendig werden lassen – andererseits gibt es Kästen mit recht kurzen, sehr sachlichen Erklärungen – ähnlich einem Lexikon oder Geschichtsbuch. Aufgelockert wird das ganze Buch durch Fragen und Antworten, die zum Thema passen, und Witzen! Das war ein Schmankerl, dem ich eine Menge abgewinnen konnte – insbesondere, weil zum Teil erklärt wurde, worauf diese Witze basieren. Abgerundet wird das Buch durch Fotos – teilweise persönliche. So kommt das Buch noch einmal näher an eine vertrauliche Erzählung heran.

Eignung für Kinder:

Mein Sohn ist 10 Jahre alt und hat keinerlei Schwierigkeiten, das Geschriebene zu verstehen. Darüber hinaus sind die Fakten wirklich neu für ihn (sofern ich ihm die Dinge nicht bereits erklärt hatte), da das Thema DDR auch 30 Jahre nach dem Mauerfall in der Schule keinen Platz findet. Das finde ich traurig, denn die Geschichte des 2. Weltkrieges wird ja auch gründlich behandelt – warum also nicht auch die DDR? Umso wichtiger finde ich, dass es solche Bücher gibt – Bücher die Spaß machen und bei deren Lektüre man etwas lernen kann. Mir persönlich wurden keine wirklichen Geheimnisse offenbart, da ich selbst in der DDR aufgewachsen bin, aber die Zielgruppe kennt die DDR eben nur vom Hören-Sagen. Es ist ein Land weit vor ihrer Zeit.

In diesem Zusammenhang möchte ich eine Stelle des Buches zitieren, die meiner Meinung nach das eben Gesagte auf den Punkt bringt:

S.138: ... aber für mich fühlte es sich so an, als ob wir von einer langen Zeitreise zurückkamen. Eine Reise in die Vergangenheit, die mir einerseits  sehr weit weg und unwirklich erscheint, weil sie nicht mehr existiert. Andererseits aber, sobald Leute davon erzählen oder gar darüber streiten, wird alles ziemlich real. Dann kommt es mir so vor, als ob die verschwundene Mauer noch immer einen Schatten werfen kann.

Die Geschichte:

Das Schöne an Theos Geschichte ist, dass man sie nicht an einem Stück in der richtigen Reihenfolge lesen muss. Zu jedem Thema gibt es eben ein Stück seiner Geschichte. Somit ist es möglich, nach bestimmten Themen im Buch zu suchen ohne das Gefühl zu haben, es würde etwas fehlen, wenn man einen Teil noch nicht gelesen hat.

Auffällig ist, dass es bei den Charakteren 2 Fronten gibt – pro und contra DDR. Dies ist für mich nachvollziehbar, denn es entspricht mit Sicherheit den Tatsachen, wenn man Menschen aus der ehemaligen DDR befragt. Allerdings war mir Opa Hardy manchmal etwas zu sehr pro DDR und brachte etwas zu viele Propagandasprüche ein, die in der heutigen Zeit noch haarsträubender klingen als damals. Vielleicht hat es mich aber auch nur deshalb gestört, weil er neben diesen Sprüchen nur wenige Fakten beizusteuern hatte.

Ansonsten mochte ich die Geschichte sehr – sie war amüsant und lebendig, eben nachvollziehbar. Die Charaktere waren authentisch und es machte mir viel Spaß immer weiter mit ihnen in die Geschichte der DDR einzutauchen. Selbst die alte Krutschke war am Ende nicht mehr so grummelig.

Irgendwie absurd:

Ich habe so herzlich darüber gelacht, dass ich es hier einfach erwähnen muss:

Zitat S. 86: „Da es verboten war, DDR-Mark in den Westen auszuführen, musste die Familie Müller die 339 Mark in der DDR ausgeben.“

Man konnte mit der DDR Mark ausschließlich in der DDR einkaufen, sofern es etwas gab. Auf dem Weltmarkt war sie wertlos. Dennoch war es verboten – nicht unerwünscht oder ungewollt, nein verboten! – DDR Mark auszuführen. Ich habe mich gefragt, warum auch irgendwer dieses Geld hätte mitnehmen wollen. Sobald man die Grenze passiert hätte, wäre es das Papier nicht wert gewesen, auf dem es gedruckt war. Ist es da ein Wunder, dass von Eintrittsgeld gesprochen wurde, wenn man über den Zwangsumtausch sprach?

Fazit:

Ein absolut lesenswertes Buch – sowohl für Kinder, die hier etwas lernen können, als auch für Erwachsene von beiden Seiten der Mauer, die noch mal nachlesen wollen, wie etwas war. Ein Buch voller nachvollziehbarer Erklärungen, aufgelockert durch Zeitzeugenberichte und Witze. Toll! 5 von 5 Sternen