Rezension

Ein Wortschmaus

Die Falle
von Melanie Raabe

Die Falle ist zugeschnappt! Ja, und zwar ganz wunderbar. Denn auch wenn ich die Story zugegebener Maßen gar nicht mal soooo überragend fand, hat doch die Art und Weise, wie Melanie Raabe erzählen kann, mich enorm begeistert! Wirklich, da gibt es Sätze in diesem Buch, Formulierungen, in Worte gekleidete Beobachtungen, das hat mich beim Lesen immer wieder innehalten lassen, ich habe etliche Sätze wieder und wieder gelesen, weil sie so wunderbar waren. Ein Vergnügen aus Buchstaben und Worten!

Es gibt sie, diese Bücher, bei denen für mich die Geschichte fast zweitrangig wird, wenn der Schreibstil es schafft, mich in seinen Bann zu ziehen. Und hier war ich der Autorin auf weiten Strecken des Buches regelrecht ausgeliefert, saß in der Falle, wenn man so will. Zog das Tempo an, musste ich mitziehen, ob ich wollte oder nicht, gehetzt verfolgte ich dann das Geschehen und hastete Zeile für Zeile durch den Text, die ganze Anspannung der im Buch beschriebenen Situation übertrug sich auf mich. Hielt die Handlung aber inne, beschrieb die Autorin beispielsweise den Blick ihrer Protagonistin Linda Conrads über das weitläufiges Grundstück bis hin zum angrenzenden Wald, kam auch ich beim Lesen zur Ruhe, hatte Muße, mir die Beschreibungen der Umgebung vor Augen zu führen, die Stille eines leeren Raumes zu spüren. Das fand ich absolut faszinierend, dieses Spiel mit dem Druck, mit der Spannung, dem Tempo, das hat sich beim Lesen eins zu eins auf mich übertragen. Zusammen mit dem Schreibstil, mit der Wortfindungsgabe der Autorin und ihrem Gespür für die Verfassung ihrer Figuren war "Die Falle" vom reinen Leseerlebnis her wirklich ungewöhnlich intensiv und eindringlich.

Die Handlung selbst ist auch nicht zu vernachlässigen, hat mich aber insgesamt nicht so packen können wie der Schreibstil. Das lag für mich in erster Linie an der Auflösung des Plots, der zwar in einem spannenden und fast nervenaufreibenden Verwirrspiel um Wahrheit und Lüge, Realität und Wahnsinn konstruiert wird und irre viel Spaß macht, am Ende aber dann fast ein wenig zu alltäglich wirkte, angesichts der Dramatik, die sich zuvor abgespielt hat. Das kann man als Kritik verstehen, ich sehe es aber eher als ein Kompliment an den Stil der Autorin, der mich so begeistert hat, dass ich einfach auch bei der Auflösung mit etwas ungewöhnlicherem gerechnet hätte.

 

Im Übrigen empfinde ich die Einordnung des Buches als "Roman" auf dem Cover als absolut treffend, denn auch wenn es eine enorm starke Spannung gibt, einen leichten Kriminalfall und eine ermordete Schwester, ist es doch mehr Roman als Thriller und wurde, als solcher gelesen, von mir in seiner Wirkung auch am ehesten verstanden.
 

Fazit: Selten hat ein Buch bei mir während des Lesens so viele gegensätzliche Emotionen hervorgerufen wie es "Die Falle" getan hat. Melanie Raabe legt im Umgang mit Worten ein Feingefühl an den Tag und beweist so ein Geschick darin, den Leser durch die Geschichte zu führen und Stimmungen zu übertragen, dass man nur gespannt darauf warten kann, was da wohl als nächtes kommen wird! Dass mich das Ende der Geschichte nicht so ganz überzeugen konnte, macht die Freude am Talent der Autorin wett, mich mit ihren Worten in ein sprachliches Wohlgefühl zu versetzen. :)

 

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