Rezension

Ein wunderbarer Roman, der den Zeitgeist der Siebziger Jahre eindrucksvoll einfängt

Freiflug -

Freiflug
von Christine Drews

Ich lese gerne Bücher über starke Frauen und Bücher die einen realistischen Hintergrund haben. Als ich den Klappentext von "Freiflug" las, wollte ich das Buch unbedingt lesen. Meine Erwartungen sind daher recht hoch gewesen, und ich muss sagen, dass ich das Buch letztendlich sogar noch besser fand als erwartet - was wirklich nicht oft vorkommt.

Auch wenn ich das Buch inzwischen ausgelesen habe, finde ich es unglaublich, dass vor nicht einmal 50 Jahren die in diesem Buch beschriebenen gesellschaftlichen Strukturen und Gegebenheiten in unserem Land vorherrschten. Natürlich hatte ich im Vorfeld schon von der Frauenrechtsbewegung und dem Wandel der "Rolle der Frau" gehört.Doch vor allem und fast ausschließlich  Frauen , sowie Rita Maiburg und Katharina Werner waren  bereit dafür zu kämpfen und dafür einzutreten. Sie wollten sich nicht damit abfinden, dass die Vergewaltigung in der Ehe nicht bestraft wurde und sogar von der Ehefrau verlangt wurde beim Geschlechtsverkehr Befriedigung zu finden.  Wer Gleichgültigkeit oder Widerwillen dabei zur Schau stellte musste damit rechnen, bei einer möglichen Scheidung automatisch die Schuld zugesprochen zu bekommen.

Ich denke, dass  Christine Drews den Zeitgeist der Siebziger Jahre sehr authentisch in Ihrem Roman eingefangen hat. Rita und Katharina stehen beide für die Emanzipation und den Feminismus dieser Zeit. Sowohl Katharina mit Ihrem Wunsch nach einer eigenen Anwaltskanzlei (Und das als FRAU) , als auch Rita mit Ihrem Wunsch die erste Linienflugkapitänin der Welt zu werden, ecken mit Ihren Zukunftsplänen familiär und gesellschaftlich an.  Die Werte und Normen sehen vor, dass junge Frauen heiraten, Kinder bekommen und Ihre Lieben daheim von der Küche aus versorgen. Wer andere Pläne hat wird nicht selten als hysterisch und verrückt eingestuft.  Entgegen den gängigen gesellschaftlichen Norman findet Rita jedoch , ganz im Gegensatz zu Katharina, Rückhalt in der Familie. Dieser Kontrast hat mir beim lesen sehr gut gefallen .

Gekonnt verknüpft die Autorin die realistische  Geschichte von Rita Maibaum mit der fiktiven Gestalt Katharinas, die jedoch genauso wie sie hier dargestellt wird in die Siebziger Jahre gepasst hätte. Neben den zentralen Themen Gleichberechtigung und Emanzipation werden aber noch einige andere Themen der damaligen Zeit thematisiert, was mir sehr gefallen hat. Der Roman hat trotz der gerade einmal knapp 350 Seiten einen enormen Tiefgang und das, ohne auch nur an einer Stelle für mich überladen zu wirken. So wird zum Beispiel auch der Drogenkomsum der jungen Generation thematisiert und in kritischen Tönen mit dem Leben der Protagonistin verwoben. Die Behandlung psychisch Kranker spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Frage nach der Selbstbestimmung . 

Der Autorin ist hier ein spannender Roman gelungen, der schonungslos den Geist der Siebziger Jahre in Bezug auf die Rolle der Frau eingefangen hat. Neben der wahren Geschichte um Rita Maiburg bietet dieser Roman aber auch noch eine zarte Liebesgeschichte und weitere familiäre und freundschaftliche Geschichten die sich wunderbar miteinander verbinden und ein spannendes Gesamtbild ergeben. 

Ein gelungener biographischer Roman, der einen staunend und teilweise sprachlos zurücklässt. Das Nachwort der Autorin zeugt davon, dass auch heute noch Frauen in vielen Teilen der Gesellschaft um Ihren Platz kämpfen müssen und immer noch nicht die Gleichbehandlung erfahren , die sie verdient hätten. Dieses Buch ist daher ein ebenso wichtiger Beitrag zur weiteren Emanzipation der Frau, wie das Leben und Wirken jener Frauen , von denen in diesem Buch erzählt wird.