Rezension

Ein wunderbares, stilles Buch

When the English Fall - David Williams

When the English Fall
von David Williams

Bewertet mit 5 Sternen

Gesegnet aber ist der Mann, der sich auf den HERRN verlässt und dessen Zuversicht der HERR ist. Der ist wie ein Baum, am Wasser gepflanzt, der seine Wurzeln zum Bach hinstreckt. Denn obgleich die Hitze kommt, fürchtet er sich doch nicht, sondern seine Blätter bleiben grün; und er sorgt sich nicht, wenn ein dürres Jahr kommt, sondern bringt ohne Aufhören Früchte.  (Jeremia 17.7-8)

"Die Englischen". So nennen die Amish die hektischen unzufriedenen Menschen da draußen. Mike ist zum Beispiel so einer. Er kommt ab und zu in die Amish-Siedlung, um bei Jay, dem Zimmermann, eine in Auftrag gegebene Arbeit für einen Kunden abzuholen. Mike redet immer viel und ärgerlich über das, was er im Radio hört. Jay beobachtet ihn dabei, ohne Hass, ohne Verachtung, ohne sich von dessen Zorn mitreißen zu lassen. Es tut so gut, diesen erfrischend entschleunigenden Blick des sanftmütigen Zimmermanns auf das Leben, auf die "Englischen", auf die Weltgeschehnisse zu lesen. Und die tragen schon bald apokalyptische Züge. Interessant zu lesen, dass die wackeren Amish-Familienväter dieser Siedlung gar nicht besonders apokalypsegläubig sind. Zudem ist Jay einer, der sich das Denken nicht verbieten lässt. Deshalb ist er aus seiner ursprünglichen Heimatsiedlung weggezogen, hat Anschluss an eine tolerantere Siedlungsgemeinschaft gesucht und gefunden.

Als eine sich schon seit geraumer Zeit anbahnende Naturkatastrophe in ihrer ganzen Härte zuschlägt und das Land ins Chaos stürzt, sind es die schlichten und fleißigen Amish, die mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben, helfen, Notleidende zu versorgen, und deren Leben dank gefüllter Vorratskammer unbeeinträchtigt weitergehen kann. Oder doch nicht? Wie lange kann eine absolut pazifistische Gemeinschaft wie sie überleben angesichts einer um sie herum zusammenbrechenden gewalttätigen Welt?

Soviel Menschlichkeit, Herzenswärme und Güte fand ich selten in einem einzigen Buch. Es ist ein faszinierender Einblick in die stille Welt und den einfachen Glauben der Amish people. Und dabei schwebt stets die Bedrohung der unabwendbaren Auslöschung über der Handlung wie ein Damoklesschwert. Man kann das nicht ausblenden, der epische Rahmen spricht eine zu eindeutige Sprache. Auch der Ich-Erzähler, der das Geschehen in kurzen, treffenden Tagebucheinträgen schildert, spürt etwas davon, obwohl er weniger wissen kann als der Leser. Aber was weiß der Leser eigentlich?

Die Tagebucheinträge sind kurz, gerade so, wie Tagebucheinträge sein können, wenn man den ganzen Tag auf Feld und Hof schuftet, und das einzige schlechte Gewissen, das man sich im Leben jemals macht, die Frage ist, ob es recht ist, ein Tagebuch zu führen. Die unaufgeregte, einfache Sprache des tiefgläubigen Mannes hinterlässt einen bleibenden Eindruck.

It was not what I wanted to hear today, but perhaps it is always that way. Among the English, being a preacher meant you were important, that you were a leader. Here, it is a task. It is a simple demand of the Order. It is like plowing a field, or butchering a cow.
I hope that, for me, it is not too much like butchering a cow.

Ein wunderbares, stilles Buch. Und am Ende extrem berührend.
Eindeutig mein diesjähriges Lesehighlight.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 09. August 2018 um 14:24

Das war es doch schon letztes Jahr! Es ist immer gut, wenn man die Jahreszahl dazuschreibt.

 

Arbutus kommentierte am 11. August 2018 um 22:30

Das hast Du ja jetzt hiermit getan. 

wandagreen kommentierte am 11. August 2018 um 23:11

Im Augenblick des Schreibens ist es mir auch immer glasklar, ich befinde mich ja dann in diesem Jahr, aber nach einiger Zeit weiß keiner mehr, aus welchem Jahr das Lesehighlight ist. Ich sage mir das auch selber, dass ich das in Zukunft dazuschreibe.

Arbutus kommentierte am 11. August 2018 um 23:48

Ok. Also dann für alle verwirrten Mitleser:

Dieses Buch kam 2017 heraus und ich habe es 2017 rezensiert, aber nicht auf WasLiestDu, weil es hier noch gar nicht im System gespeichert war. Vor wenigen Tagen entdeckte ich es hier, schrie Heureka und stellte begeistert meine Rezi ein. 

Hoffe, jetzt sind alle glücklich.