Rezension

Ein wunderschönes Buch!

Die Karte der zerbrochenen Träume - Jennifer Zeynab Joukhadar

Die Karte der zerbrochenen Träume
von Jennifer Zeynab Joukhadar

Bewertet mit 5 Sternen

Allgemeines:

Zeyn Joukhadar ist ein sehr junger Autor. Sein Geburtsdatum ist nirgends zu finden. Er wurde in New York geboren, seine Mutter ist Christin, sein Vater muslimischen Glaubens. Mit Die Karte der zerbrochenen Träume legt er seinen ersten Roman vor, der mittlerweile in 15 Sprachen übersetzt wurde und mit dem Afghanistanroman Drachenläufer verglichen wird. Völlig zurecht, wie ich finde.

Die Karte der zerbrochenen Träume erschien am 20. Mai 2019 auf Deutsch im Heyne Verlag als gebundenes Buch und umfasst 448 Seiten.

Inhalt:

„Sommer 2011. Nour ist als Kind syrischer Einwanderer in New York geboren. Als ihr Vater stirbt, beschließt Nours Mutter, in ihre Heimat Syrien zurückzugehen. Doch das Syrien, das Nours Eltern noch kannten, gibt es nicht mehr. Schon bald erreicht der Krieg auch das ruhige Stadtviertel von Homs, in dem die Familie lebt. Als ihr Haus von einer Granate zerstört wird, fällt die Entscheidung, das Land zu verlassen. Ziel ist Spanien, und der Weg wird die Familie durch Jordanien, Ägypten, Libyen, Algerien und Marokko führen. Auf der Suche nach Trost und Ablenkung erzählt sich Nour während der Flucht die Fabel von Rawiya, einer jungen Abenteurerin, die sich im 12. Jahrhundert dem berühmten Kartografen al-Idrisi anschließt, um die Kunst des Kartenzeichnens zu erlernen. Viele Orte, die Rawiya durchreist, liegen auf der Route von Nour und ihrer Familie. Damals wie heute lauert Gefahr. Bis Nours Mutter vor einer Entscheidung steht, die die Familie für immer auseinanderreißen könnte.“ (Quelle: Verlagsgruppe Random House)

Meine Meinung:

Dieses Buch ist wirklich etwas ganz Besonderes. Das fängt bei der wunderschönen Gestaltung des Covers an und hört mit dem letzten Satz des Buches auf. Selten habe ich einen Roman gelesen, der mich so berührt hat. Es ist gar nicht einfach, eine Rezension zu Die Karte der zerbrochenen Träume zu schreiben, weil wirklich alles in diesem Buch wichtig ist und seinen notwendigen Platz hat. Zeyn Joukhadar ist es gelungen, von Krieg und Flucht, Migration und Immigration, Freud und Leid, Fremdheit und Vertrautheit, Mystik und Realität zu erzählen und alles miteinander so zu verknüpfen, dass ein stimmiges Ganzes entsteht. Ich bin einfach verzaubert von seiner Art des Erzählens.

Es gibt zwei Erzählstränge: Zum einen wird die Geschichte von Nour und ihrer Familie, ihrem Leben in New York und der Rückkehr nach Syrien erzählt. Einem Syrien, von dem die Mutter der Familie glaubt, dass der Krieg schon nicht in ihre Stadt kommt und sie dort wieder Ruhe und Frieden findet; denn dort ist ihr alles vertraut und sie glaubt, sich nach dem Tod ihres Mannes schnell wieder heimisch zu fühlen. Ihre drei Töchter dagegen sehen die Sache anders, sind sie doch seit 12 Jahren in Amerika aufgewachsen und die Freiheiten des westlichen Lebens gewohnt. Wird sich die Erwartung der Mutter erfüllen oder bleibt sie auch in der alten Heimat eine Fremde? Zum anderen wird die Geschichte von  Rawiya erzählt, die um 1200 als Junge verkleidet aus ihrem Heimatdorf weglief, um den von ihr bewunderten Kartographen al-Idrisi begleiten zu können und auf ihren Reisen Geld zu verdienen hofft, um ihre Mutter unterstützen zu können, denn Ihrer Familie geht es durch den herrschenden Krieg sehr schlecht. Rawiya verkörpert eine mutige und kluge Heldin und ist Nour durchaus ähnlich.

Beide Geschichten für sich sind faszinierend: Hier die Realität und dort fast schon eine Erzählung aus Tausend und einer Nacht. Man könnte meinen, es wird kitschig und unübersichtlich. Ganz im Gegenteil!

Die Karte der zerbrochenen Träume besteht aus insgesamt fünf Kapiteln, deren Handlung in jeweils einem anderen Land spielt: Syrien, Jordanien und Ägypten, Libyen, Algerien und Marokko und der spanischen Stadt Ceuta. Beide Erzählstränge laufen nebeneinander, man wechselst quasi ständig zwischen beiden. Das schafft Joukhadar mit einer Leichtigkeit, die nicht selbstverständlich ist.

Die Ich-Erzählerin Nour entwickelt im Verlauf der Odyssee der Familie ein neues Verhältnis zu ihren Schwestern, zum Heimatgefühl, zu den Beweggründen, die Menschen handeln lassen wie sie handeln. Dass Joukhadar dieses Zwölfjährige Mädchen erzählen lässt, ist sowohl gut als auch schwierig. Da Nour ihre oft noch kindliche Sicht bewahrt hat, werden manche Ereignisse, die man sonst kaum aushalten könnte, mit einer gewissen Naivität erzählt, manchmal muss man sogar schmunzeln oder will sie an die Hand nehmen und sagen: „Komm, ich bring dich nach Hause.“ Schwierig wird es immer dann, wenn Dinge geschehen, die ein Kind niemals erleben sollte. Diese Erzählweise berührt sehr! Gleiches gilt für den Erzählstrang um Rawiya. Verpackt in eine abenteuerliche Reise vergisst man den ernsthaften Anlass und die Grausamkeiten, denen sie begegnet.

Eine wichtige Rolle spielt in beiden Geschichten eine ganz besondere Karte, womit wir beim Titel des Buches wären… .

Fazit:

Ein wunderschönes Buch!