Rezension

Einblicke in ein uns unbekanntes Land und Wertevorstellungen, wertvoll

Zwölf Wochen in Riad - Susanne Koelbl

Zwölf Wochen in Riad
von Susanne Koelbl

Bewertet mit 5 Sternen

Saudi-Arabien, dieses vielen Menschen unbekannte Land, bereist Susanne Koelbl seit geraumer Zeit. In ihrem Buch „Zwölf Wochen in Riad“ beschreibt sie nun ihre neuesten Eindrücke, die sie dort gewonnen hat. Durch ihre vielfältigen Beziehungen kam sie mit Menschen in Kontakt, die wohl wenigen vorbehalten sind, vor allem als Frau. Gerade das machte es ihr leicht, zwischen beiden „Welten“, der der Männer und der der Frauen, hin und her zu pendeln. Denn wenn es auch ein Land im Umbruch ist, so sind doch die Lebensbereiche von Mann und Frau immer noch stark voneinander getrennt.

Sie beschreibt ihre Besuche und Begegnungen bei einflussreichen Mitgliedern des Königshauses genauso wie die bei den „einfachen“ Menschen, den nicht Saudi-Arabern. Es gibt da das international agierende Unternehmen, das nach passieren der Toreinfahrt nicht im Mindesten den strengen Regeln des Landes ähnelt. Aber auch die Ortschaften, die sich den Lockerungen, die das Königshaus erlassen hat, noch immer freiwillig widersetzt. Hier die Frau, die Karriere macht im typischen Business-Look, ohne Verschleierung jeglicher Art, dort der Mann, der seine Frau noch nie zu Gesicht bekommen hat und deshalb nach ihrem Tod noch nicht einmal identifizieren kann.

Ihre Bemühungen, uns das Leben in diesem sich langsam öffnenden Land nahe zu bringen, hinterlassen trotzdem bei mir einen schalen Beigeschmack. Wieder sind es nur wenige Auserwählte, die bereits seit Jahrhunderten in das Leben vieler Menschen eingreifen und mit ihren strengen Regeln alles bestimmen wollen. Ob es sich dabei um Religionen handelt oder einfach nur um Macht, sobald sich bestimmte Merkmale erheblich verändern, ändern sich auch die Spielregeln für eine sehr große Gruppe von Menschen. Und zwar egal wo auf der Welt.

Den Machthabern in Saudi-Arabien sind die zu große Abhängigkeit vom Öl, die sich verändernden Strukturen in den anderen arabischen Ländern, natürlich nicht entgangen. Ein arabischer Frühling, verbunden mit einem Sturz des Königshauses gilt es unbedingt zu vermeiden. Dabei soll auf keinen Fall der Verdacht aufkommen, dass, wie bei der Fahrerlaubnis für Frauen, das Königshaus sich von anderen hat beeinflussen lassen. Deshalb, wie die Autorin eindrucksvoll darlegt, sind die Akteurinnen, die dafür gekämpft haben, vor der Aufhebung des Verbotes verhaftet worden. Einzig das Königshaus will sich dafür feiern lassen. Weitere Beispiele zeigt Koelbl auf, wie die spektakulären Festsetzungen etlicher Mitglieder des Königshauses, die wohl in Korruption verstrickt sein sollen. Nachprüfbar ist das alles nicht.

Eines ist klar, ändert sich dieses Land nicht und findet neue Wege, um frisches Geld in das Land zu pumpen, die strengen Regeln der Religion zu lockern, unter denen selbst Einheimische leiden, wird es genau wie in anderen arabischen Ländern zu massiven Aufständen kommen. Langwierige Kriegseinsätze, die so nicht geplant waren, wie der im Jemen, verschlimmern die Situation zusätzlich für die Machthaber. Die vielen neu gebauten Einkaufsparadiese und Urlaubsdomizile für Einheimische aber auch auswärtige Gäste sollen die Probleme abmildern. Dafür gibt es vereinfachte Einreisebestimmungen, die neuesten Entwicklungen hierzu immer nachzulesen beim Auswärtigen Amt. Arbeitsmigranten wird es zusehends schwer gemacht, sie werden zum Großteil entlassen, Saudi-Araber sollen nun deren Arbeiten übernehmen.
Der Querschnitt an Erfahrungen, die die Autorin gesammelt hat, kann ich hier kaum wiedergeben. Deutlich wird auf jeden Fall, dass sich Männer und Frauen wieder auf öffentlichen Plätzen treffen können, ohne den strengen Kleidungsvorschriften. Es gibt bereits Konzerte, Lichtspielhäuser und mehr.
Angereichert ist das Buch im Anhang mit einer Zeittafel über Saudi-Arabien und ein Stammbaum der, vor allem zurzeit, wichtigsten Mitglieder des Königshauses. Wie üblich, sind mittig etliche Fotos der Autorin, um auch so einen Eindruck ihrer Aufenthalte zu bekommen. Ein Glossar sowie eine Auswahlbiografie und ein Register runden die Informationsseiten ab.

Susanne Koelbl ist Auslands-Reporterin des „SPIEGEL“. Nach ihrer journalistischen Ausbildung in München arbeitete sie als Autorin des Magazins der „Süddeutschen Zeitung“. Im Jahr 1991 wechselte sie zum „SPIEGEL“ und berichtet seitdem vom Balkan, aus Zentralasien und aus dem Nahen Osten, darunter Syrien und Iran, Irak und Saudi-Arabien. Für ihre Reportagen wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Reemtsma Liberty Award. Zusammen mit Olaf Ihlau hat sie das vielbeachtete Buch „Geliebtes, dunkles Land. Menschen und Mächte in Afghanistan“ im Jahr 2007 veröffentlicht.

Mehr über die Autorin zum Beispiel unter: https://susannekoelbl.com/