Rezension

Eindrucksvolle, aber auch etwas steife britische Teestunde

Teatime mit Lilibet - Wendy Holden

Teatime mit Lilibet
von Wendy Holden

Bewertet mit 4 Sternen

England zu Beginn der 30er Jahre: Eigentlich möchte die angehenden Lehrerin Marion Crawford benachteiligte Kinder unterrichten, doch dann wird sie die Gouvernante der Prinzessinnen Elizabeth und Margaret. Die engagierte Sozialistin setzt alles daran, ihren beiden Schülerinnen das wahre Leben fernab von Palast und königlicher Etikette zu zeigen. Doch das ist angesichts der Umstände ein schwieriges Unterfangen. Erst im Laufe der Zeit stellt sich heraus, dass Marions Arbeit auch ihr eigenes Leben unwiederbringlich beeinflusst und es für sie kein Zurück gibt...

Wendy Holden schreibt klar und gut verständlich, aber auch ein wenig steif. Der etwas trockene Schreibstil der Autorin passt hervorragend zur spröden, unnahbaren Atmosphäre des Königshauses, richtig emotional einnehmend ist er aber nicht. Als Leserin spielte ich eher die Rolle einer neutralen Beobachterin des Geschehens, fühlte mich aber nicht mittendrin in der Geschichte.

Protagonistin Marion Crawford, von ihren Schülerinnen liebevoll Crawfie genannt, ist eine überaus interessante, reale Persönlichkeit. Sie hat 17 Jahre ihres Lebens mit der britischen königlichen Familie verbracht. Diese bemerkenswerte, aufsehenerregende Biografie macht natürlich neugierig. So richtig warm wurde ich mit Marion allerdings nicht. Sie wirkt nicht unsympathisch, recht authentisch und ehrlich, bemüht sich sehr engagiert, für ihre Schützlinge stets das Beste zu erreichen, gibt sich aber gleichzeitig manchmal recht spröde und reserviert, nicht wirklich herzlich oder emotional.
Uneingeschränkt sympathisch und angenehm war für mich keine der dargestellten Figuren, am ehesten noch Marions Bekannte Ivy, die mit Herzblut Evakuierte unterrichtet. Eine Tätigkeit, die auch Marions Wunschvorstellung entspricht. Vielleicht ist die Distanz zu den Figuren von der Autorin aber auch genauso beabsichtigt. Es geht in ihrem Roman schließlich nicht um das Leben von Hinz und Kunz, sondern um die Welt der königlichen Hohheiten, zu der Normalsterbliche keinen Zugang haben. Das ist keine Welt, in der ich leben möchte, kein gesundes Umfeld. Aber ein Umfeld, das Menschen ganz entscheidend prägt und das macht Holden sehr deutlich.

 

„Teatime mit Lilibet“ erzählt eine außergewöhnliche und sehr interessante Geschichte. Das Königshaus, die dort herrschende Atmosphäre wird eindringlich und beeindruckend klar dargestellt. Richtig emotional gefangen und gefesselt war ich von diesem Roman nicht, dazu blieben mir die Figuren zu unnahbar und fremd. Dies ist allerdings stimmig und korrespondiert mit der steifen, speziellen Lebensart des Königshauses. Schließlich sind doch gerade die Majestäten gefangen in ihrer Rolle, verfügen kaum über individuelle Entfaltungsmöglichkeiten. Der gute Ruf ist für sie wichtiger als eigene Gefühle und persönliche Verbindungen.
Der zweifelsohne unterhaltsame Roman ist nicht durchgehend spannend zu lesen, stellenweise empfand ich ihn als etwas langatmig, die Handlung plätscherte teils zu ruhig dahin. Ein Buch wie eine recht steife, königliche Teestunde mit etwas sprödem, aber durchaus schmackhaften Gebäck. Eindrucksvoll, faszinierend und nachhaltig in Erinnerung bleibend, aber so richtig wohl fühlt man sich dabei nicht.