Rezension

Eindrücklich und hochinteressant.

Darwins Jim Knopf - Julia Voss

Darwins Jim Knopf
von Julia Voss

Bewertet mit 5 Sternen

Julia Voss legt in ihrem Fachbuch die Doppelsinnigkeit frei, welche Michael Ende dem Buch eingeschrieben hat. Voss, die sich seit ihrer Magisterarbeit intensiv mit dem Evolutionstheoretiker Carles Darwin auseinandersetzt, bemerkte in dessen Aufzeichnungen über seine Reise mit dem Forschungsschiff "HMS Beagle" einen Jungen mit dem Namen "Jemmy Button", der nicht nur eine Namensverwandtschaft mit dem Hauptprotagonisten aus Endes Werk hat.  Jemmy Button wurde aus seiner Heimat entführt und gelangte erst auf einer weiteren Forschungsexpedition, an welcher auch Darwin teilnahm, in seine Heimat zurück.

 

Nach und nach deckt sie nachvollziehbar auf, dass in Michael Endes Kinderbuch nicht nur eine spannende Geschichte für Kinder erzählt wird, sondern zeitlich eine Auseinandersetzung des Schriftstellers mit dem nationalsozialistischen Deutschland. Dort ist eine sozialdarwinistische Auslegung der Menschheitsgeschichte als Kampf zwischen verschiedenen Rassen ein zentraler Bestandteil der NS-Ideologie.

So gewinnen Details, wie etwa die Tafel, welche sich über dem Eingang nach Kummerland befindet, und auf der klar vermerkt ist, dass der Eintritt "nicht reinrassigen Drachen bei Todesstrafe" untersagt ist, auf einmal an Bedeutung.

Bei Endes literarischer Fiktion sind es die Drachen, die ihre Reinrassigkeit als so hohes Gut betrachten, diese allerdings mit ihren wahnwitzigen, oftmals völlig kruden Erscheinungsformen unfreiwillig der Lächerlichkeit preisgeben. Es scheint wie eine Parodie auf die Rassenlehre der Nationalsozialisten und deren so verehrte "Herrenrasse".

Voss zeigt diese "Doppelbödigkeit" in ihrem Buch so oft und auf eindrückliche sowie nachvollziehbare Weise auf, dass meines Erachtens nicht davon auszugehen ist, dass hier mit der Autorin der "Interpretationsgaul durchging".

 

Michael Ende, den es ein Leben lang wurmte, dass er von der Kritik als Schriftsteller nicht ernst genommen wurde und so auch äußerte, dass man von jeder Türe aus den literarischen Salon betreten dürfe - "aus der Gefängnistür, aus der Irrenhaustür oder aus der Bordelltür" - nur eben aus einer nicht - der Kinderzimmertür, dürfte sich über Julia Voss' Buch sicherlich gefreut haben.