Rezension

Eine Achterbahn der Gefühle

Love Letters to the Dead
von Ava Dellaira

Bewertet mit 4 Sternen

Einige Worte zum Inhalt

Als May stirbt, bricht Laurels Welt zusammen. Sie vergötterte ihre Schwester – und muss nun herausfinden, wie sie ihr Leben ohne sie meistern soll. Während ihre Mutter sich aus dem Staub macht, um auf einer Farm zu leben, und ihr Vater in seiner Trauer versinkt, beschließt Laurel, dass sie nicht auf dieselbe Highschool gehen möchte wie May. Zu groß ist die Angst davor, jeden Tag aufs Neue mit dem Tod ihrer Schwester konfrontiert zu werden. Als Laurel im Englischunterricht die Aufgabe erhält, einen Brief an eine berühmte verstorbene Persönlichkeit zu schreiben, entdeckt sie, dass es doch eine Möglichkeit gibt, Gefühle auszudrücken und zu verarbeiten.

Meine Meinung

Erst einmal muss ich sagen, dass ich es sehr gut finde, dass weder der Titel noch das Cover der englischen Ausgabe in der deutschen Übersetzung geändert wurden. So etwas geschieht viel zu häufig und ändert direkt den Charakter des Buches, was mir meist eher negativ auffällt.

Nun zur Geschichte selbst: Wie schon gesagt, hat mich die Idee sehr angesprochen. Ich mag Romane in Briefform, auch wenn ich immer ein Weilchen brauche, um mich in sie einzufinden. Solche Briefe an verstorbene Persönlichkeiten zu schreiben, wird für Laurel zu einer sehr wirkungsvollen Selbsttherapie, was in meinen Augen geschickt konstruiert wurde.

“Es gibt Erlebnisse, die gehen einem so unter die Haut, dass sie dort stecken bleiben wie harte Samenkörner aus Schock, Trauer oder Angst.” – S. 230

Die Handlung hat mir gut gefallen. Ich konnte mich von Anfang an mit Laurel identifizieren, da sie sehr reflektiert ist, auch wenn natürlich eine ordentliche Portion jugendliche Naivität durchschimmert. Somit gab es auch Passagen, die ich nicht ganz nachvollziehen konnte, zum Beispiel, dass Laurel sich teilweise als völlig wehrlos herausstellt und sich wie eine Marionette von anderen lenken lässt. Auch, wenn sie dies tut, um bestimmte Erwartungen zu erfüllen, konnte ich den Grad der Wehrlosigkeit nicht ganz verstehen. Da ich nicht spoilern möchte, werde ich nun nicht verraten, um welche Situationen es sich handelt. Wer das Buch liest, wird jedoch auf jeden Fall wissen, welche Stellen gemeint sind, denn sie stellen sehr einschneidende Erlebnisse in Laurels Leben dar.

Die Liebesgeschichte zwischen Laurel und Sky wirkte in meinen Augen etwas unvollständig. Für meinen Geschmack begann sie zu plötzlich und grundlos, insgesamt erschien sie mir einfach zu gewollt. Das hat mich zwar anfangs gestört, doch dass ich Sky als Charakter nach einer Weile sehr mochte, hat mich darüber hinweggetröstet, und schließlich konnte ich voll in die Beziehung der beiden eintauchen. Auch die freundschaftlichen Beziehungen, die sich entwickeln, wirkten auf mich anfangs oberflächlich und irgendwie unecht, doch nach und nach entstanden tatsächliche Freundschaften. Man erfährt etwas über Hannah und Natalie, Laurels erste Freundinnen an der Highschool, die mir im Laufe der Geschichte sehr ans Herz gewachsen sind, und auch Kristen und Tristan wurden mir immer sympathischer, auch wenn es ein Weilchen gedauert hat.

“Wir haben unsere eigenen tektonischen Platten in uns, die ständig in Bewegung sind und sich immer wieder neu ausrichten, während wir uns langsam zu dem Menschen entwickeln, der wir sein werden.” – S. 375

Die Charaktere sind insgesamt gut gezeichnet, auch wenn sie in meinen Augen nicht direkt als Sympathieträger bezeichnet werden können. Nachdem ich mich erst einmal auf sie eingelassen und mehr über sie erfahren hatte, mochte ich sie gern, auch wenn ich zwischendurch befürchtet habe, dass Laurel in den falschen Freundeskreis gerät, da sie plötzlich mit Zigaretten, Drogen, Diebstahl, Alkohol und anderen jugendlichen Leichtsinnigkeiten konfrontiert wird. Für Laurels Mutter konnte ich keine Sympathie aufbauen, da sie einfach viel zu egoistisch handelt. Laurels Vater hingegen mochte ich von Anfang an sehr gern. Tante Amy, bei der Laurel viel Zeit verbringt, ist ein Fall für sich – diese religiös fanatische Dame ist mir meist gehörig auf die Nerven gegangen, konnte mich zum Ende hin aber doch noch von sich überzeugen. Auch, wenn ich Startschwierigkeiten mit den Charakteren hatte, haben sie mir alles in allem gut gefallen.

Der Schreibstil passte für mich sehr gut zur Form des Romans. Er ist nicht zu hochgestochen, was nicht zu Laurel gepasst hätte, sondern irgendwo zwischen alltäglich und poetisch angesiedelt. Außerdem fand ich die Rückbezüge auf die Feengeschichte, die zu Beginn des Buches erzählt wird, sehr passend und süß. Sie ziehen sich wie ein roter Faden durch den Roman und geben dem Ganzen etwas Verträumtes, Märchenhaftes.

Das Ende empfand ich als passend und realistisch. Nachdem Laurel unzählige Briefe an verstorbene Persönlichkeiten geschrieben hat, kann sie endlich einen letzten Brief an May schreiben. Definitiv ein berührender Roman!

Fazit

Insgesamt verlief mein Einstieg in das Buch nicht ganz so reibungslos. Ich habe etwas gebraucht, um mich mit den Charakteren anzufreunden und mich auf die Handlung einzulassen, was möglicherweise auch an der Briefform des Romans lag, doch als ich bei der Hälfte des Buches ankam, war ich bereits in Laurels Welt eingetaucht. Love Letters to the Dead ist ein Roman, der die unterschiedlichsten Gefühlsregungen hervorruft, und eine tolle Lektüre für entspannte Stunden. Den Hype kann ich zwar nicht ganz nachvollziehen, trotzdem ist das Buch sehr lesenswert!