Rezension

Eine authentische & berührende Geschichte über Hoffnung, Selbstakzeptanz und die große Liebe! ♥

The Ivy Years - Solange wir schweigen - Sarina Bowen

The Ivy Years - Solange wir schweigen
von Sarina Bowen

Bewertet mit 5 Sternen

Worum geht es?

Michael Graham fällt aus allen Wolken, als John Rikker nach 5 Jahren in der Umkleidekabine seiner Hockeymannschaft auftaucht und als neues Teammitglied vorgestellt wird. Alle Zweifel und Ängste drängen an die Oberfläche, denn Rikker ist der einzige, der sein größtes Geheimnis kennt und sein Leben von jetzt auf gleich ins Chaos stürzen könnte. Und dann sind da auch noch die Schuldgefühle, die er innerhalb der 5 Jahre Funkstille nicht ablegen konnte, denn wie könnte er sich den größten Fehler verzeihen, den er je begangen hat? Rikker ist zu recht wütend und vermutlich verdient Graham es, dass Rikker ihn mit provokanten Bemerkungen aus der Reserve zu locken versucht, aber sein größtes Problem scheint nicht Rikker zu sein, der ihn jederzeit outen könnte, sondern die Gefühle, die Rikker nach all der Zeit immer noch in ihm auslöst …

Meine Meinung

Nachdem mich der erste Band der The Ivy Years-Reihe förmlich von den Socken gehauen hatte, habe ich sehnsüchtig auf die nächsten Bände gewartet. Vor allem auf „Solange wir schweigen“ habe ich mich gefreut, weil uns Sarina Bowen hier zwei männliche (!) Protagonisten vor die Nase setzt und die dazugehörige Liebesgeschichte einfach spannend klingt. Tatsächlich konnte sie bei mir auch wieder auf ganzer Linie punkten und meinen hohen Erwartungen nach Band 1 absolut gerecht werden.

Grahams und Rikkers Geschichte hat alles, was eine gute – nein, fantastische! – Liebesgeschichte braucht: Zwei zum Hinknien wunderbare Charaktere, eine Vorgeschichte mit Konfliktpotential und vorprogrammierter Spannung, große Gefühle, Bauchkribbeln und sprühende Funken. Ich hätte gerne noch viel mehr von den beiden gelesen, weil ich sie so sehr ins Herz geschlossen habe.

Graham und Rikker sind zwei auf Anhieb sympathische Charaktere, aber vor allen Dingen sind sie authentisch. Sie wirken wie echte Menschen, haben eine Vergangenheit, die sie geprägt hat, und ein familiäres Umfeld, das sie zu dem Menschen hat werden lassen, der sie sind. Ihre Gefühle fühlen sich echt an, ihr Verhalten ist fast immer nachvollziehbar, weil man ihre Beweggründe kennt, man versteht, was sie antreibt oder hemmt. Manches ist angesichts ihrer Vorgeschichte aber auch überraschend und beeindruckend.

Das gilt vor allem für Rikker. Seine Eltern sind streng gläubig und waren dementsprechend von seinem Outing nicht gerade begeistert. Es folgte der Rauswurf aus dem Haus, später auf dem College der Rauswurf aus dem Eishockey-Team, als sein Trainer von seiner sexuellen Orientierung Wind bekam. Statt sich jedoch in sein Schneckenhaus zurückzuziehen, kämpft er für das, was er liebt: Eishockey. Er steht zu sich und reagiert auf feindselige Bemerkungen unerwartet schlagfertig und witzig. Und doch ist er kein unrealistisch entworfener Superheld, der über allen Dingen steht und solche Bemerkungen einfach an sich abperlen lässt, denn trotz aller Schlagfertigkeit erhascht man als Leser auch einen Blick auf seine verletzliche Seite, die nun mal angriffslustig reagiert, wenn er sich bedroht fühlt. Es dauerte vielleicht zwei Seiten, bis er zu meinem absoluten Lieblingscharakter wurde, weil ich bei ihm einfach das Gefühl hatte, dass er sich wie eine reale Person verhält, die ich noch dazu unglaublich beeindruckend fand. Selbst sein anfänglich provozierendes Verhalten Graham gegenüber war irgendwie charmant, weil ich seinen Drang, Graham irgendeine Reaktion zu entlocken, absolut nachvollziehbar und schlichtweg menschlich fand.

Rikker ist der Part, der sich mit seinem ungewollten Outing und den Reaktionen seiner Mitmenschen herumschlagen muss. Graham ist der, der sich vor alldem fürchtet und praktisch gegen sich selbst kämpft, indem er sein wahres Ich verbirgt. An ihm zeigt sich, wie schwer das ist: Er trinkt zu viel, ist unverkennbar unglücklich und paranoid und tut alles Mögliche, um als heterosexuell durchzugehen. Seien es Mädchen, die er mit auf sein Zimmer nimmt, oder nur unauffällige Kleidung – er hat jahrelang Schutzmechanismen aufgebaut, um keinen Verdacht zu erregen. Als Rikker neu ins Team kommt, drängt seine Angst an die Oberfläche. Er befürchtet, von ihm geoutet zu werden, und macht sich gleichzeitig wegen dem fertig, was vor fünf Jahren vorgefallen ist. Obwohl er sich selbst immer als Feigling bezeichnet – und dieser Umstand wohl nicht von der Hand zu weisen ist – ist auch sein Verhalten durchgängig nachvollziehbar, denn man sieht an Rikker nur zu gut, dass seine Angst, sich zu outen, nicht unberechtigt ist, weil es nicht nur wohlwollende Reaktionen gibt.

Aber eben diese wohlwollenden Reaktionen sind es, die in diesem Liebesroman hervortreten. Zwar werden die Schattenseiten eines Coming-Outs im Sportbereich, Mobbing und Intoleranz thematisiert, aber es ist der emotionale Rückhalt von echten Freunden, von liebevollen Familienmitgliedern und wunderbaren Menschen im Allgemeinen, der im Mittelpunkt steht. Es gibt so viele wunderbare Nebencharaktere, die Rikkers und Grahams Geschichte mit so vielen schönen und berührenden Szenen ausstatten – und sei es auch nur eine ganz kurze, in der der Trainer den Kopf aus der Tür streckt, um argwöhnisch eine Unterhaltung einzuschätzen und sicherzugehen, dass Rikker nicht mies behandelt wird. Neben Rikker und Graham bestehen meine persönlichen Charakter-Highlights in besagtem Trainer, der immer wieder die richtigen Worte gefunden hat, Rikkers Oma und Grahams Mom, die sich beide gleichermaßen durch ihre liebevolle, süße Art in mein Herz geschlichen haben, Bella, die beiden eine wunderbare Freundin ist, Hartley, den wir aus Band 1 kennen und der Rikker von Anfang an ins Team integrieren möchte, nicht, weil das von ihm als Team-Kapitän verlangt wird, sondern weil das nun mal einfach seine Art ist, und sogar Rikkers Exfreund Skippy, der sich immer noch inbrünstig für ihn einsetzt. Vermutlich könnte ich die Liste sogar noch fortsetzen.

Trotz einiger bedrückender Szenen oder Szenen, die einen aufregen und den Kopf schütteln lassen, weil es neben diesen positiven Charakteren auch einige Vollpfosten gibt, lässt das Buch einen mit einem rundum guten, zufriedenen und positiv aufwühlendem Gefühl zurück, denn neben Mobbing und Intoleranz ist die Geschichte auch voller Hoffnung, großen Emotionen und spontanen, unkontrollierten Lächelattacken.

Fazit

Wieder ein wunderbarer Band aus der The Ivy Years-Reihe, der mich zum Lächeln, Grinsen und Lachen bringen und berühren konnte. Grahams und Rikkers Geschichte ist so viel mehr als eine bloße Romanze: Es geht darum, sich selbst zu akzeptieren, zu sich zu stehen und für sich einzutreten. Mich konnte „Solange wir schweigen“ wieder absolut begeistern, deshalb gibt es eine klare Leseempfehlung und 5 Sterne von mir.