Rezension

Eine Autorin mit mehr Glück als Verstand

Mein Zimmer im Haus des Krieges - Janina Findeisen

Mein Zimmer im Haus des Krieges
von Janina Findeisen

Janina Findeisen studierte Ethnologie und vergleichende Religionswissenschaften und forschte zum Deutschen Dschihad. Sie arbeitete als freie Mitarbeiterin für den Rechercheverbund von NDR, WDR und SZ und veröffentlichte unter ihrem Pseudonym Marie Delhaes Dokumentationen und Reportagen zur deutschen Dschihadisten-Szene. 2015 macht sich die schwangere Reporterin im Vertrauen auf eine Sicherheitsgarantie auf den Weg nach Syrien, um einen Dokumentarfilm über ihre zum Islam konvertierte Schulfreundin zu drehen und zu verstehen, wie es zu deren Radikalisierung kam. Doch kurz nach dem Treffen wird sie von einer islamistischen Splittergruppe entführt und in wechselnden Häusern und Zimmern eingesperrt. In einem dieser Zimmer bringt sie ihren Sohn zur Welt, bevor sie schließlich nach insgesamt 351 Tagen befreit wird.

Als ich die Leseprobe von „Mein Zimmer im Haus des Krieges“ las, dem Buch, in dem Janina Findeisen von dieser Zeit erzählt, wollte ich sofort mehr erfahren. Das Buch würde mutmaßlich ein gutes Ende haben, es würde mich mitnehmen ins Jahr 2015/16 und die damalige Kriegssituation in Syrien, könnte mir vielleicht etwas über Land, Leute, Politik und Religion erzählen und das alles aus der Sicht einer Frau, die diese 352 Tage in Gefangenschaft auf ihre Art und Weise bewältigt und überstanden hat. Meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht, aber tatsächlich gefielen mir die Passagen des Buches am besten, in denen Janina Findeisen über die deutsche Dschihadisten-Szene schreibt oder sich eher journalistisch den Hintergründen des Syrien-Krieges widmet. Diese Passagen sind informativ und interessant. Sie konnten mich dazu bewegen das Buch bis zum Schluss zu lesen.

Die Geschichte ihrer Entführung – ihre Version der Geschichte, wie sie sie selbst nennt – konnte mich hingegen nicht überzeugen. Damit meine ich nicht die Einzelheiten der Entführung, die Gefangenschaft oder die Befreiung, sondern vielmehr den Schreibstil und das Verantwortungsbewusstsein der Autorin, die schwanger in ein Kriegsgebiet reist um dort vor Ort mit einer früheren Schulfreundin, die inzwischen Mutter von drei Kindern und Witwe von zwei Dschihadisten ist, ein Interview zu führen. Und um dem Leser gleich jeglichen Vorwurfswind aus den Segeln zu nehmen, bereut sie diese Fehlentscheidung gleich im Prolog mehrfach und wird auch im weiteren Verlauf des Buches nicht müde zu bereuen. Irgendwie versuche ich als Leserin ihr das zu verzeihen, stelle jedoch fest, dass mir persönlich das nicht möglich ist, als ich endlich im hinteren Teil des Buches erfahre, dass sie in ihrem 7. Schwangerschaftsmonat diese riskante Reise unternahm. Das war mir vorher nicht bekannt, da ich auf dieses Buch durch die Verlagsvorschau aufmerksam wurde. Ich bin schockiert und fühle mich bestätigt in meinen Vorbehalten der Autorin gegenüber.

Janina Findeisen verspricht ihrer alten Schulfreundin Laura auf Seite 123, dass sie nicht alles aus dem Interview veröffentlichen wird. Als Leser spürt man dies auch. Das Bild, das man von Laura vermittelt bekommt ist flach und rechtfertigt nicht die Risiken, die die Journalistin dafür in Kauf nahm. Im Gegenzug schmückt Frau Findeisen manche Beschreibungen ihrer Gefangenschaft aus und versucht ihnen literarisch Würze und etwas Dramatisches zu verleihen, was meines Erachtens jedoch teilweise zu gewollt und zu dick aufgetragen ist. Aber das eigentliche Problem daran ist, dass anderes wiederum zu wenig beschrieben wird und man als Leser gelegentlich ein wenig orientierungslos in der Luft hängt. So gelangt das Buch nicht zu einem stimmigen Erzählstil und lenkt von dem, was die Autorin eigentlich schildern möchte, unnötig ab.