Rezension

Eine bedrückende Familiengeschichte

Was ich euch nicht erzählte - Celeste Ng

Was ich euch nicht erzählte
von Celeste Ng

Bewertet mit 5 Sternen

1977: Die 16jährige Highschool-Schülerin Lydia, Kind eines Chinesen und einer weißen Amerikanerin, wird in einem See nahe ihrem Elternhaus ertrunken aufgefunden. Die näheren Umstände sind unklar. Für ihre Mutter Marilyn, die einst ihren Traum von einer Tätigkeit als Ärztin zugunsten ihrer Familie zurückstellte, kommt nur ein Mord in Betracht, denn ihrer Überzeugung nach war ihrer ehrgeizigen und klugen Lieblingstochter eine Karriere als Ärztin gewiss. Der ältere Bruder verdächtigt den Nachbarsjungen Jack, mit dem Lydia zuletzt heimlich ihre Freizeit verbrachte. Andererseits kommen nach und nach immer mehr Aspekte  und Geheimnisse ans Tageslicht, die auch einen Selbstmord möglich erscheinen lassen. Am Ende erfährt nur der Leser, was sich wirklich ereignete.

 

Der Roman wartet mit spannenden Thriller-Elementen auf: Warum hat Lydia in der Nacht das Haus erlassen? Warum ist sie auf den See hinausgerudert, obwohl sie nicht schwimmen kann? Warum benimmt sich Jack so merkwürdig? Sie treten allerdings zurück zu der im Vordergrund stehenden Geschichte um eine chinesisch-amerikanische Familie, die aufgrund dieser besonderen Konstellation eine Außenseiterrolle einnimmt, mit der vor allem der Vater hadert. Behutsam wird immer wieder das Thema Rassismus berührt. Lydia und ihr Bruder sind die einzigen Asiaten an ihrer High School, deshalb ohne Freunde und immer wieder anzüglichen Bemerkungen ausgesetzt. Der Vater wird als nicht-weißer Schwiegersohn abgelehnt, muss sich mit einer zweitklassigen Karriere als Dozent an der Universität einer Kleinstadt zufriedengeben. In den Fokus rückt auch immer wieder das Thema Emanzipation, dargestellt anhand des Verhältnisses von Marilyn zu ihrer Mutter, die ihre Tochter gut verheiratet am Herd stehen sehen wollte, was Marilyn undenkbar erschien. Ihren eigenen unerfüllt bleibenden Traum, Ärztin zu werden, projiziert sie, es eigentlich gut meinend, auf Lydia, deren schulischen und beruflichen Werdegang sie dominant plant. Lydia vermag sich (aufgrund eines Erlebnisses in ihrer frühen Kindheit) nicht zur Wehr zu setzen, bis … ja, bis zu ihrem Tod. Seine Umstände aufgeklärt zu bekommen, hält den Leser im Bann. Auf dem Weg dahin erfährt er viele ungeheuerliche Einzelheiten über die Familie aus der Perspektive aller Familienmitglieder, die nachdenklich zurücklassen.

 

Ein beeindruckender Debütroman, den ich uneingeschränkt empfehlen kann.