Rezension

Eine berührende Geschichte von Freundschaft, Liebe, Identitätssuche und sozialer Vaterschaft

Diese eine Lüge -

Diese eine Lüge
von Dante Medema

Bewertet mit 4.5 Sternen

Inhalt

Cordelia aus Tundra Cove in Alaska will sich in ihrer Abschlussarbeit mit dem Thema ethnische Herkunft und Identität befassen –  mit dem Stilmittel der Lyrik. Ihre Betreuungslehrerin Ms Nadeer fürchtet, dass Delia ihr Projekt kurz vor dem Ziel schleifen lassen könnte, denn sie hat die Zusage zum College-Studium schon in der Tasche. Da ihre begabteste Schülerin bisher auch die Anmeldung zum Poetry Slam in Seattle vor sich her geschoben hat, fürchtet Ms Nadeer, dass Delia auch diese Chance vergeben könnte. Delias DNA-Analyse im Rahmen ihres Arbeit hat sie damit konfrontiert, dass ein anderer Mann ihr leiblicher Vater sein muss als sie bisher annahm. Delias Gefühl, in ihrer Familie Außenseiterin zu sein und ihr Verdacht, adoptiert worden zu sein, scheint doch nicht so unrealistisch zu sein, wie ihre allerbeste Freundin Sana ihr bisher stets versichert hat. Das GeneQuest-System ermöglicht ihr, direkt Kontakt zu ihrem Vater Jack aufzunehmen, der inzwischen in Seattle lebt. Offensichtlich wurde Delia bei einem Seitensprung ihrer Mutter gezeugt  und weder der soziale Vater noch Delias Schwestern wissen bisher davon. Die ältere Schwester Bea studiert bereits – und auch sie hat sich mit ihrer ethnischen Herkunft befasst.

Delias Freundin Sana arbeitet ebenfalls an ihrer Abschlussarbeit und bräuchte Delias Vermittlung, die dafür jedoch nicht ansprechbar wirkt.  Als wäre der Schulabschluss nicht Stress genug, muss Delia sich mit ihrer Beziehung zu ihrer Jugendliebe Kodiak auseinandersetzen, mit dem sie auf keinen Fall gemeinsam an einem Projekt arbeiten will. Delia als Tochter eines Literaturprofessors, Sana, die mit ihrer Familie in einem Trailer lebt, und der Bad Boy Kodiak, der indianische Vorfahren hat, stammen aus gegensätzlichen Gesellschaftsschichten. Dieser Grund für Delias verfahrene Situation wird in der Familie jedoch verschwiegen. Ihre Mutter will den Kontakt zu Kodiak auch deshalb verhindern, um ihre Tochter vor einem ähnlichen Fehler zu bewahren wie ihrem eigenen. Ihre Heimlichtuerei scheint in einer Familie mit drei Töchtern jedoch nicht der richtige Weg zu sein. Delias Konflikt wirkt zunächst unlösbar, da sie ihren sozialen Vater vor der fatalen Nachricht schützen will. In einem Jugendroman für Leser ab 14 fällt mir unangenehm auf, dass um die Beziehung von Kodiak und Delia herumgeschlichen wird, ohne dass der Begriff Verhütung fällt. Möglicherweise setzt Alaska der in den USA verbreiteten prüden Einstellung ja die Krone auf. Ein zusätzlicher kleiner Service-Teil zum Thema Ahnensuche per DNA und US-Moralvorstellungen wäre in der deutschen Ausgabe sinnvoll gewesen.

Die pflichtbewusste Ms Nadeer lässt nicht locker und schafft es tatsächlich, ihre Slam-Talente Kodiak und Cordelia nicht nur zum Wettbewerb in Seattle anzumelden, sondern sie bis zum Auftritt zu betreuen. Alle Achtung! Dass Delia die Reise nutzen wird, um ihren leiblichen Vater zu suchen, ahnt außer Sana offenbar niemand.

Fazit

In einer sprachlosen Familie findet Delia in ihrer Lyrik einen Weg sich auszudrücken. Im Zusammenspiel unterschiedlicher Textarten  entwickelt Dante Medema in ihrem Erstling eine berührende Geschichte von Freundschaft, erster Liebe, Identitätssuche, sozialer Vaterschaft und einer berührend engagierten Lehrerin.  Die kurzen Texte und Nachrichten haben die Geschichte für mich erstaunlich entschleunigt und mir viel Raum gelassen, über die Jugendlichen nachzudenken.  Das Seitenlayout hebt die Nachrichten optisch hervor, die zwischen den genetisch Verwandten ausgetauscht werden und wirft die Frage auf, welche Rolle (die nicht markierten) Freunde und Mentoren für Delias Identität spielen. Die meisten Figuren kann man als Leser nur lieben und den Zusammenhang zwischen ethnischer Herkunft, Abstammung und Identität vermittelt Medema jugendgerecht.