Rezension

Eine Betrachtung des (eigenen) Lebens

Was es ist - Julia Willmann

Was es ist
von Julia Willmann

Bewertet mit 3 Sternen

Roman mit poetischer Ausdruckskraft: eine Collage aus Träumen, Gedanken und Erlebnissen, der jedoch der rote Faden fehlt.

Cover und Gestaltung:

Das Cover wirkt nüchtern, wodurch es auf mich anziehend wirkte: Es stellt für mich einen verschwommenen Ausblick aus dem Fenster dar, die Striche in der Mitte symbolisieren für mich den Cut zwischen verschiedenen Welten und verschiedenen Zeiten. Auf den Inhalt bezogen ist das Cover sehr passend, vor allem die Ruhe, die es ausstrahlt, spiegelt den Inhalt sehr gut wieder und weckt die passende Erwartungshaltung.
Das Buch ist ein Hardcover mit Schutzumschlag und wenn noch ein Lesebändchen dabei wäre, wäre der Gesamteindruck perfekt.

Inhalt:

Viola ist ein Kontrollfreak und damit sehr gut in ihrem Job. Einsam und akribisch erledigt sie ihre Arbeit und ist damit sehr erfolgreich und gut verdienend. Auf der Strecke bleiben Gefühle und Zweisamkeit. Auch das Verhältnis zu ihren Eltern ist seit Kindheit nicht das Beste. Als ihre Mutter erst eine Art Schlaganfall erleidet und später ins Koma fällt, wird Viola gezwungen, sich mit ihrer Vergangenheit und ihren Gefühlen auseinanderzusetzen.

Mein Eindruck:

"Wann hat das angefangen? Dass Freude misstrauisch macht. Und Glücklichsein unruhig. Dass das Leben sich nicht wie eine Möglichkeit anfühlt, sondern wie eine Bedrohung, ein Zwang?" (S. 193)

In der Beschreibung heißt es im Bezug auf Viola: "...muss sie die Sicherheitszone ihres kontrollierten Lebens verlassen und sich auf eine Reise wagen, die sie letztendlich zurück zu sich selbst führt." Dies hat mich sehr neugierig gemacht und ich hatte daher eine Art Selbstfindungsgeschichte erwartet. Doch der Einstieg gestaltete sich zunächst schwierig, denn er beginnt mit einem Brief von Viola vermutlich an ihre Mutter (an M.): "...die Liebe ist blind, sagt man. Wir sind es leider nicht gewesen. Ich bin für eine Weile verreist. Wenn mir das Blindsein wieder gelingt, komme ich Euch besuchen." Dann folgt ein Traum Violas und erst nach und nach wird der Leser in die Geschichte eingeführt und mit den wesentlichen Personen bekannt gemacht. Zeitweise ist die Geschichte dabei in der Gegenwart im Erzählstil aufgebaut, jedoch vielfach unterbrochen von Träumen oder Gedanken Violas oder Rückschauen in die Vergangenheit. Oft verschmelzen die einzelnen Handlungsstränge und man muss sich stark konzentrieren, um zu verstehen, auf welcher Zeitebene man sich gerade befindet und um was es gerade geht. Teilweise gab es hierbei sehr gute Passagen, die flüssig und verständlich und mit einer starken poetischen Ausdruckskraft geschrieben waren. Teilweise gab es aber auch Träume, Gedanken oder ganz banal erscheinende Alltagsbeschreibungen, die mich zwischendurch verwirrt haben, weil ich ihnen keinen Sinn zuordnen konnte oder nicht verstand, worauf sie sich gerade bezogen. Gerade als ich das Gefühl hatte, gut in die Handlung eingestiegen zu sein und sie genießen zu können, war die Geschichte sehr abrupt zu Ende und das Ende dabei so offen gestaltet, dass ich unbefriedigt den Roman zuklappte. Was ich auch vermisste, war eine erkennbare, positive Veränderung Violas, wie ich sie aufgrund des Klappentextes erwartet hätte.
Ich sehe in diesem Roman viel Potenzial, ich habe mir einige Zitate aufgeschrieben, die ich sehr treffend fand und die mich sicher auch nach dem Roman immer wieder zum Nachdenken anregen werden. Allerdings war die Umsetzung für mich nicht so zufriedenstellend wie erhofft durch die vielen besagten Sprünge. Es ist als hätte man aus Violas Leben einen Haufen diverser Ausschnitte genommen und sie zu einer Collage aus Träumen, Erlebnissen und Gedanken zusammengestellt, aus der sich jeder Leser das heraus picken kann, was ihm am meisten zusagt, ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder gar vollständiger Sinnhaftigkeit. Auf mich wirkt es damit etwas experimentell und unausgegoren. Dennoch lesenswert aufgrund der poetischen Ausdruckskraft.

Fazit:

Roman mit poetischer Ausdruckskraft: eine Collage aus Träumen, Gedanken und Erlebnissen, der jedoch der rote Faden fehlt.