Rezension

Eine Biografie, die die Literaturwelt bereichert!

Obiad - Mehr als nur Mittagessen - André Biakowski

Obiad - Mehr als nur Mittagessen
von André Biakowski

~~Die eigenen Worte des Autors:
Der Reisebus hielt und ich war da. Lodz meine Heimat auf Zeit. Mitten in Polen. Ein Jahr als Freiwilliger lag vor mir. Und dann war da diese polnische Sprache. Zungenbrecher. Ein ewiges Nachschlagen im Wörterbuch. Doch ein Wort begleitete mich täglich – Obiad. Ohne anfänglich zu wissen, was dieses Wort bedeutet, wurde es zur Überschrift für mein Jahr. Öffnete mir Türen und ließ mich durch meine tägliche Arbeit mit Überlebenden unterschiedlicher Ghettos und Konzentrationslager hinter die Kulisse deutsch-polnischer Geschichte blicken. Fakten – anonyme Jahreszahlen – die ich bisher nur aus Büchern kannte, bekamen auf einmal Gesichter und wurden bei meinen Besuchsdiensten konkret, stellten mir unausweichliche Fragen. Welche historische Hypothek trage ich als junger Mensch? Wie entschuldigt man sich für etwas, für das es in seiner Abscheulichkeit keine Worte gibt und für das man selbst nichts kann? Warum ist Schweigen die Sprache des Schmerzes? Weshalb klagte mich keiner der Überlebenden an? Polen auf seine Geschichte – den Holocaust – zu reduzieren, wird diesem wunderschönen Nachbarn nicht gerecht. Ich packte meinen Rucksack, reiste in meinem Jahr als Freiwilliger und lernte dabei dieses Land lieben. In monatlichen Briefen zu den verschiedensten Themen schrieb ich an Freunde und Bekannte über meine Eindrücke und tiefen Begegnungen. Heute weiß ich, Obiad bedeutet mehr als nur Mittagessen!

Zum Cover:
So schlicht das Cover zunächst auf den ersten Blick wirkt – es gewinnt mit jedem Satz im Buch an Größe und hätte passender nicht sein können.

Meine Meinung:

Diese Biografie ist etwas Besonderes. Von der ersten bis zur letzten Seite führt der Autor Andre Biakowski den Leser durch ein hochsensibles und schwieriges Thema. Schon mit den ersten Seiten zieht er mich in das Geschehen hinein und fesselt mich an die Geschichte, die das Leben schrieb.

Es ist keines der üblichen Bücher über den Holocaust und die damit verbundenen grausamen Ereignisse.

Der Tenor des Buches lautet eigentlich: „Wie fühlt man sich als nachkriegsgeborener Deutscher, wenn man Überlebenden aus den Konzentrationslagern begegnet?“ Konzentrationslager - dem dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte. Wie bewältige ich den auch heute noch notwendigen Weg der Versöhnung mit den Überlebenden? Beim Lesen wird dem Leser verdeutlicht, wie wichtig diese Versöhnung auch heute noch ist – auch für all jene, die nach dem Krieg geboren wurden.
Es geht nicht um die Beschreibung des Holocaust, sondern um zwischenmenschliche Beziehungen.

Mir hat besonders gut gefallen, dass der Autor über seine Person selbst sehr wenig preisgibt, aber das Buch ganz deutlich zeigt, wie ihn diese Begegnung mit den Überlebenden auch charakterlich geformt, geprägt und verändert hat.
Ein Buch gegen das Vergessen, in dem der jüngeren Generation Werte vermittelt werden, -  der Autor selbst reflektiert bewertet, aber nicht belehrend ist und schreibt. Ich konnte es nicht aus der Hand legen!
„Obiad – Mehr als nur ein Mittagessen“ halte ich für eine der wenigen Biografien, die die Literaturwelt bereichert.
Fazit: Ich empfehle diese Biografie ohne Einschränkung und ich finde, Andre Biakowski hat den Buchpreis der Unknown Buchmesse 2014 zu Recht erhalten.
5 von 5 Sterne