Rezension

Eine Collage: italienisches Lebensgefühl

Sofia trägt immer Schwarz - Paolo Cognetti

Sofia trägt immer Schwarz
von Paolo Cognetti

Bewertet mit 5 Sternen

Ja, seine späteren Bücher sind (noch) besser. Aber mir hats trotzdem schon gut gefallen.

Das seinerzeitige Debüt von Paolo Cognetti ist nicht leicht zu verstehen. Der Roman ist ein wenig so, wie der missglückte Film, den Juri, der junge Filmemacher, gegen Ende des Buches monatelang und mit Leidenschaft in New York dreht, eine Collage über Orte und einen Menschen, den man nicht zu Ende kennenlernen kann. „Er ist unverständlich“, sagt sein Freund Pietro über den Film. Die Freundschaft hält die Kritik aus, dennoch gehen die Freunde bald getrennte Wege. 

Sofia ist modern, essgestört und trägt einen Undercut. Doch Sofia kann man nie ganz fassen. Das ist eine der Messages des Romans und die muss man akzeptieren. Aber dass man Sofia nicht zu Ende kennenlernen kann, ist nicht weiter wichtig. Wichtig ist die italienische Lebensmelancholie. Die italienische Seele ist zutiefst melancholisch.

Es geht auch um den Klassenkampf in den 60er Jahren und um eine zerrüttete Familie. Um ein Paar, das nicht zueinander gehört hätte, um eine Depression, um eine Revolutionärin, um Desillusioniertheit, um eine Frau, die sich mit zu Wenigem zufrieden gibt und eines Tages die Nase voll hat – und um die Frage, ob irgendetwas bestehen bleibt. 

Es geht vordergründig um eine Kindheit, die geprägt ist von unglücklichen Eltern, die nicht zugeben können, dass sie unglücklich sind. Und um Italien. Und ein bisschen um New York. Und um viele Beobachtungen, die richtig und wahr und weise sind. Ich möchte mir ganz viele Stellen im Buch rot anstreichen. Ich habe sehr viel von meinem eigenen Lebensgefühl darin wiedergefunden. 

Das Puzzle, das Cognetti 2012 in Italien als Debüt liefert, ist sowohl anspruchsvoll, was den Gesamtzusammenhang betrifft als auch schön und einfach in der Sprachführung. Es ist mehr eine Melodie denn ein „richtiger“ Roman, eine Collage, einige Mosaiksteine verschiedener Leben. Zeitlich wechselt man die Perspektive häufig, dennoch hat man am Ende „so was wie ein Ganzes.“ 

Fazit: Für mich hat diese Mischung funktioniert. 

Kategorie: Belletristik
Verlag: Penguin, 2019