Rezension

Eine düstere Zukunftsvision

Der zweite Schlaf - Robert Harris

Der zweite Schlaf
von Robert Harris

Bewertet mit 5 Sternen

Zum Inhalt:
Nach der Apokalypse 2025 ist die Welt nicht mehr so wie vorher. Mehrere Jahrhunderte später ist alles, was von unserer Zivilisation noch übriggeblieben ist, nichts als Plastik. In England leben die Menschen wie im späten Mittelalter unter einem strengen christlichen Regime. Die Beschäftigung mit der Wissenschaft wird als Ketzerei verfolgt. Die Kirche hat überall Spione. Auch das Sammeln von Fundstücken aus der Vergangenheit ist strafbar und wird geahndet. Den Pfarrer Lacy aus dem kleinen Örtchen Adicott St. George hat dies allerdings vor seinem mysteriösen Tod nicht davon abgehalten, Artefakte aus der Zeit vor der Apokalypse zusammen zu tragen. Zudem hatte er auch viele verbotene Bücher in seinem Besitz. Musste er vielleicht deswegen sterben? Der junge Priester Fairfax wird in das Dörfchen geschickt, damit er sich um die Beerdigung kümmert. Es ist eine beschwerliche Reise und ein ungemütlicher Aufenthalt. Je näher sich Fairfax mit den Umständen um Lacys Tod beschäftigt, desto mehr kommt er von dem rechten Pfad Gottes ab...

Meine Leseerfahrung:
Vorherige Romane von Harris kannte ich nicht. Mich hatte ausschließlich der Klappentext neugierig gemacht. Normalerweise finde ich Dystopien nicht unbedingt verlockend, Bücher mit negativem Ausgang versuche ich meist zu umgehen. Aber ich bin froh, dass hier meine Neugier gesiegt hat. Denn "Der zweite Schlaf" ist nicht einfach ein Roman über eine düstere Zukunft, sondern birgt viele politische wie auch historische Elemente, über die man auch nach Beendigung des Lesens noch nachdenkt. 

Ich habe diesen Roman innerhalb von 2 Tagen verschlungen, weil er mich dermaßen gefesselt und aufgerührt hat. Die Geschichte ist tatsächlich nicht fernab der Realität. Man erfährt zwar auch am Ende des Buches nicht, wie es zur Apokalypse kam. Der Weg dorthin ist allerdings auch nicht wichtig. Vielmehr DASS es in Anbetracht der aktuellen Situation der Menschheit zwangsläufig zu einer Katastrophe kommen musste. Es ist interessant, wie die wenigen übrig geblieben Menschen versuchen, das Leben auf Erden neu zu ordnen, um zu überleben. Dass hier die Kirche die Führung mit strenger Hand übernimmt, erinnert mich ein wenig an 'The Handmaid's Tale'. 

Die einzelnen Charaktere fügen sich sehr glaubhaft in das mittelalterlich geprägte  Setting ein, wobei ich mir bei einigen Figuren etwas mehr Tiefe gewünscht hätte. Ein anderer wichtiger Aspekt ist, dass die Story abrupt endet und viele offene Fragen zurück lässt. Allerdings bin ich der Meinung, dass Harris keinesfalls all diese Fragen überhaupt beantworten wollte. Ihm ging es um einen fundamentalen Denkanstoß, was ihm absolut gelungen ist. Auch nach Tagen ertappe ich mich immer wieder dabei, wie ich über "Was wäre wenn"-Szenarien grüble, die sich mit der Zukunft befassen.

Fazit:
Robert Harris hat mit diesem Roman das Bild einer beklemmenden Zukunft gezeichnet, worauf wir augenscheinlich hinzu steuern und womit wir uns alle auseinandersetzen sollten. Ein grandioses Werk zum Wachrütteln!