Rezension

Eine Dystopie von schockierender Authentizität

Paradise City - Zoë Beck

Paradise City
von Zoë Beck

„Während der Pandemien sind hier mehr Menschen gestorben als anderswo. Sie haben sich alle gegenseitig angesteckt.“ – Seite 222

Als hätte sie es gewusst; Als hätte Zoë Beck die Corona-Pandemie vorausgesehen; Und doch - ein Gedanke, der hartnäckig bleibt: Als ob es wirklich so schlimm werden kann.

In „Paradise City“ zeichnet die Autorin Zoë Beck ein Bild von Deutschland in einer nicht allzu fernen Zukunft. Es ist heiß, es ist trocken und über den Stadtparks steigen Schwärme tropischer Papageien auf. Deutschlands Küste versank schon vor Jahren in den Fluten der Nord- und Ostsee und der Meeresspiegel steigt weiter, immer weiter. Die Hauptstadt ist nun Frankfurt am Main, die die gesamte Rhein-Main-Region zu einer einzigen Metropole verschmolzen hat. Nur wenige Menschen leben außerhalb der Megacity. Denn es ist ein Privileg, in Frankfurt zu leben. Dort ist es sicher, die Menschen genießen den von Algorithmen gewährleisteten Wohlstand und die weltweit beste medizinische Versorgung. Die medizinischen Fortschritte der letzten Jahre sind beeindruckend und ermöglichen es, dass die Menschen mittels einer neuartigen App über alle Vorgänge in ihrem Körper informiert und sofort medizinisch beraten werden.

Liebe Leserinnen und Leser – willkommen in Paradise City!

Wir lernen die junge Journalistin Liina kennen, die für eines der wenigen verbliebenen unabhängigen und kritischen Nachrichtenportale recherchiert. Als der Vorgesetzte der jungen Frau während seiner Ermittlungen zu einer „großen Sache“ vor einen einfahrenden Zug gestoßen wird, kommen Liina und ihre Kollegen bei der Suche nach Antworten einem der größten Skandale ihrer Zeit auf die Spur.

Mir persönlich hat die von Zoë Beck gezeichnete Zukunftsvision gut gefallen. Besonders überzeugt hat mich die gleichermaßen faszinierende wie auch schockierende Authentizität ihrer Darstellungen. Man erwischt sich das eine ums andere Mal bei dem erschreckenden Gedanken: „Ja, so könnte Deutschland irgendwann wirklich sein!“. Sie hält uns Leserinnen und Lesern den Spiegel vor und wir müssen uns fragen, ob wir eine Welt wie diese wirklich wollen; wirklich verantworten können. Es werden viele aktuelle Entwicklungen aufgegriffen, Gedanken weitergeführt und auf die Spitze getrieben. Schwierige medizinethische Fragestellungen werden aufgeworfen und regen zum Nachdenken an. Mir drängt sich wieder und wieder die Frage auf: Was für eine Gesellschaft wollen wir sein?

Mit ihrem gelungenen Zukunftsentwurf hat mich die Autorin gut unterhalten und ihr flüssiger und schnörkelloser Schreibstil zog mich regelrecht durch die Geschichte. Richtige Spannung, wie ich sie bei einem Thriller erwarte, kam jedoch nicht auf. Zweifelsohne war die Erzählung interessant, doch sie fühlte sich zu keiner Zeit nach einem packenden Thriller an. Ich persönlich würde diesen Titel eher dem Genre „Roman“ zuordnen und finde die Einschätzung des Verlags durchaus unglücklich.

Richtig schade fand ich beim Lesen, dass dieses nur 280 Seiten starke Buch wenig in die Tiefe gehen konnte. Zoë Beck baut eine Geschichte auf, die ihrer Natur nach ausgesprochen vielschichtig und komplex ist und die meiner Meinung nach nicht in so wenigen Worten ihrem Potential entsprechend erzählt werden kann. Viele spannende Fragen werden letztendlich nur angerissen und müssen offen bleiben. Das „Deutschland der Zukunft“ wird nicht so umfassend beschrieben, wie ich es – dem Klappentext entsprechend – erwartet hätte. Ich habe mir gewünscht, mehr über die Umgebung und die Hintergründe ihrer Entwicklung zu erfahren. Leider enttäuschte die Oberflächlichkeit der Erzählung in diesem Punkt.

Diese Enttäuschung kulminierte schließlich in einem Ende, das ich nicht anders als „überstürzt“ nennen kann. Die Ereignisse überschlugen sich und die Geschichte war mit einem großen Knall zu Ende, der für mich nur wenig erklärte. Dort wurde viel Potential verschenkt. Sehr schade.

Fazit

Nichtsdestotrotz hält „Paradise City“ insgesamt eine unterhaltsame und faszinierende Vision eines Deutschlands von morgen bereit, die mir wertvolle Impulse zum Nachdenken geben konnte. Ich empfehle die Geschichte all jenen, die sich für authentische Dystopien begeistern und die eine oder andere Ungenauigkeit verschmerzen können.