Rezension

Eine Ehefrau wert sich … auf ihre eigene Weise

Lügen über meine Mutter -

Lügen über meine Mutter
von Daniela Dröscher

Bewertet mit 4 Sternen

Die Autorin berichtet in ihrem Roman überwiegend aus der Sicht eines Kindes, wie das Aufwachsen in einer kleinen Familie beherrscht wird von den Gewichtsproblemen der Mutter. Wobei vor allem das Unverständnis des Vaters, der zudem im Gewicht seiner Frau die Ursache seiner eigenen Probleme sieht und mit zunehmendem Druck auf eine deutliche Gewichtsreduktion dringt.

In einer sehr interessanten Erzählweise, in kurzen Abschnitten als Erwachsene im Austausch mit der Mutter, und als noch nicht schulpflichtiges Kind als Mitglied und Beobachterin des familiären Alltags, erhält man unterschiedliche Einblicke, aber auch Antworten auf Fragen, die sich aus den Abschnitten, die der Kindheit gewidmet sind, ergeben.

Ela wächst bei ihren Eltern und den im gleichen Haus lebenden Großeltern, die Eltern des Vaters. In den 80er Jahren in einem kleinen Dorf im Hunsrück auf. Dabei werden die dort üblichen Gepflogenheiten, Erwartungshaltungen und auch Standesdünkel in authentischer Weise mit einbezogen und vermittelt. Und dabei fast spürbar die Abneigung der auf dem Land verwurzelten Schwiegereltern gegenüber Elas Mutter. Sie, Tochter schlesischer Aussiedler, kann dem Dorfleben wenig abgewinnen, findet keinen Anschluss und fühlt sich alles andere als heimisch. Berufstätig in der Verwaltung eines kleinen Unternehmens, erfährt sie von Kollegen und Vorgesetzten die Wertschätzung und Anerkennung, die jedem Menschen zusteht. Und er, der Sohn, dem ein Aufstieg, sprich ein Studium und eine entsprechende Stelle, zwar gelungen ist, dem jedoch noch immer das dörfliche Spießertum anhaftet.

Dass es sich um einen laut Klappentext "tragikomischer Roman" handelt, habe ich nicht so empfunden. Vielmehr war ich zunächst maßlos enttäuscht, dass es der Mutter nicht gelungen war, sich dem Druck ihres Ehemannes zu entziehen. Doch mit etwas zeitlicher Distanz konnte ich ihr Verhalten besser verstehen, da zu dieser Zeit für Frauen einfach die Devise galt und auch praktisch gelebt wurde, koste es was es wolle, dass man sich dem Mann fügt. Der Mann entscheidet und die Frau fügt sich. Nichts Neues für die Mutter, da sie dies bereits aus ihrem eigenen Elternhaus kennt. Sie fügt sich ihrem Mann, seien es verschiedene Diätformen bis hin zu den allseits bekannten eight watchers oder sich letztendlich der mehr oder weniger aufgezwungenen Kur zu beugen. Aber sie rebelliert auch – wie anders lässt sich erklären, dass sie nie das von ihrem Mann festgesetzte Ziel erreicht. Auch ihren Schwiegereltern zeigt sie in einer sehr subtilen Form, was sie von ihnen hält. Oder wenn sie trotz aller Widerstände ein Sprachstudium, das mit beruflichem Erfolg, der ihrem Mann ja versagt bleibt, führen könnte, durchsetzt. Trotz allem eine starke Frau, die sich auf ihre ganz eigene Weise gegen Zwänge und Bevormundungen durchsetzt.

Was sie nach meiner Einschätzung besonders auszeichnet und auch deutlich zu erkennen ist: ihre grenzenlose Liebe zu Ela, ihrer im Verlauf des Romans geborenen Schwester und eine eher Fremde, die beste Freundin Elas, in ihre Familie aufnimmt.

Der Roman lässt sich, gerade auch wegen des Schreibstils, sehr gut lesen. Setzt die Zeit und das Lebensgefühl der 80er Jahre sehr gekonnt in Szene, wobei so manche vertraute Beschreibung bzw. Erwähnung eigene Erinnerungen weckt und auch schon mal zum Schmunzeln und sich rückbesinnen einlädt. Empfehle ich gerne weiter, was Thematik und auch die umrissene Zeit betrifft.