Rezension

Eine eher stille aber tiefgehende Ehestudie, deren Verfilmung gerade vorbereitet wird

Schnee in Amsterdam - Bernard MacLaverty

Schnee in Amsterdam
von Bernard MacLaverty

Bewertet mit 5 Sternen

Bernhard MacLaverty, Schnee in Amsterdam, C. H. Beck 2018, ISBN 978-3-406-72700-9

 

Gerry und Stella Gilmore sind schon lange verheiratet und die Zeit die sie miteinander hinter sich haben, ist ein Mehrfaches dessen, was ihnen noch bleibt. Und damit ist nicht nur die tatsächliche Lebenserwartung der beiden gemeint. Denn ihre Ehe befindet sich schon seit längerem im Sinkflug.  Während Stella eine gläubige und auch praktizierende Katholikin ist, die bis zu ihrer Pensionierung als Lehrerin gearbeitet hat, arbeitet der Architekt Gerry als Professor an der Universität in Glasgow wo sie auch leben. Zum letzten Weihnachtsfest hat Stella ihrem Mann, der mit Religion nicht viel anfangen kann, eine Reise über ein verlängertes Wochenende nach Amsterdam geschenkt. Die Reise, so denkt Stella, soll ihnen beiden und auch ihrer Ehe gut tun.

 

Doch ganz uneigennützig war die Auswahl des Reiseziels nicht. Stella hat von Anfang an den Plan einen der bezauberndsten Orte in Amsterdam aufzusuchen, den Beginenhof. Ein Gelübde, das sie einst abgelegt hat, wird eine große Rolle spielen.

 

Zunächst beschreibt MacLaverty akribisch jede einzelne Station und Begebenheit zu Beginn der Reise und viele Dialoge der beiden Ehepartner. Besonders aus ihnen geht hervor, dass sie zwar noch Gefühle füreinander haben, sie kennen sich in und auswendig mit ihren kleinen Fehlern, aber in den vier Tagen ihres Aufenthaltes in Amsterdam werden immer mehr tiefe Risse in ihrer Beziehung schmerzhaft deutlich. Und das liegt nicht nur daran, dass Gerry, der mit seinem Leben schon abgeschlossen hat und wahre Freude nur noch im Alkohol findet.

 

Während ihrer Reise drängt langsam und dann nicht mehr aufzuhalten ein gravierendes Ereignis in der Vordergrund, das am Anfang ihrer Beziehung stand als sie in Belfast in Nordirland lebten und das ihr gesamtes Leben geprägt hat, wie ihnen nun deutlich wird.

 

Mosaikartig setzt der Autor immer mehr Erinnerungsstücke zusammen, bis der Leser eine vage Vorstellung davon bekommt, wie es zu dem Graben zwischen den beiden gekommen.

 

Eine eher stille aber tiefgehende Ehestudie, deren Verfilmung gerade vorbereitet wird. Der in Glasgow lebenden MacLaverty ist dort ein bekannter und anerkannter Autor, von dem seit langem kein Buch mehr auf Deutsch erschienen ist. Dem Beck-Verlag und seinem Übersetzer Hans-Christian Oeser sei gedankt, den deutschen Leser sein neues Buch präsentiert zu haben.